Rückbau des AKW Biblis

Öffentliche Erörterung Ende November

Nach fast 40 Jahren erlosch am 6. August 2011 für die beiden Reaktorblöcke in Biblis die Berechtigung zum Leistungsbetrieb. Das AKW Biblis befindet sich seit der Abschaltung in der Nachbetriebsphase. In dieser Phase sollen die Brennelemente entladen und nach dem Ende der Abklingzeit (spätestens 2016) abtransportiert werden.

Daran anschließend kommt die Stilllegungsphase. Zur Stilllegung gibt es in Deutschland zwei nach dem Gesetz mögliche Strategien:

 

  • Sicherer Einschluss: Bei dieser Stilllegungsstrategie wird eine kerntechnische Anlage für einen längeren Zeitraum (50 -60 Jahre) in einen praktisch wartungsfreien Zustand überführt, wobei der eigentliche Rückbau und die Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung auf einen späteren Zeitraum verschoben wird.
  • Direkter Rückbau: Bei dieser Stilllegungsstrategie wird eine kerntechnische Anlage direkt nach der Nachbetriebsphase abgebaut.

Beide Strategien besitzen jeweils Vor- oder Nachteile und selbst innerhalb der anti-AKW Bewegung gibt es hierzu keinen Konsens. Wir von AtomkraftENDE.darmstadt favorisieren einen direkten Rückbau, da sich hierbei die Stromkonzerne nicht so einfach ihrer Verantwortung entziehen können.

Stilllegungsantrag

Am 6. August 2012 stellte die RWE nach § 7; Abs.3 Atomgesetz einen Antrag zur Stilllegung und zum Abbau der Reaktoren Biblis A und B.
Wir freuen uns, dass RWE einen direkten Rückbau beantragt und somit die von uns favorisierte Lösung anstrebt. Die 13 Seiten des Antrags sind jedoch extrem unbestimmt formuliert und die Einschränkungen länger als der Rest. Das Ganze liest sich eher wie eine Absichtserklärung mit Rücktrittsklausel.
Zitat:“ Über die Durchführung von Stilllegung und Abbau und damit über die Ausnutzung erteilter Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen beabsichtigen wir, unter Berücksichtigung der dann gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden“.
Dieses Zitat bringt die wahren Machtverhältnisse in Deutschland auf den Punkt: Wenn Genehmigung von Behörden nicht genehm sind, halten sich große Konzern wie RWE einfach nicht daran.

Rückbau-Beirat und Informationsforum

Das Regionalplenum der Initiativen gegen Atomanlagen forderte in der sogenannten Bensheimer Erklärung (Mai 2012) einen Rückbau-Beirat. Ein solcher Beirat müsste schon in der Planungsphase und während des weiteren Abbaus informiert werden, hat Entscheidungskompetenz, kann die Gutachten der Landesregierung einsehen und könnte z.B. mit eigenen Gutachtern den Rückbau aktiv mitgestalten. Trotz der Gefahr einer „Mitmachfalle“ bietet ein Beirat die Chance einer echten Bürgerbeteiligung.

Wie zu erwarten, lehnte die schwarz gelbe hessische Regierung diese Forderung ab.

Auch mit einer grünen Umweltministerin änderte sich an der Situation wenig. Frau Hinz hat im Mai 2014 statt eines Beirats ein Informationsforum eingerichtet, in dem auch zwei von insgesamt 23 Plätzen mit Vertretern von Anti-AKW-Initiativen besetzt sind.
Das erste Treffen des Informationsforums fand erst während der Offenlegung zum Rückbau statt. Bei dieser konstitutiven Sitzung war Information nicht angesagt. In der zweiten Sitzung kurz vor Ende der Einwendungsfrist wurde ausführlich dargestellt, wie harmlos radioaktive Niedrigstrahlung ist und es keinen Anlass zur Sorge über gesundheitliche Folgen gibt. Anschließend konnten die Bürger und Bürgerinnen ihre Bedenken kurz vorbringen, doch eine Diskussion war nicht vorgesehen.
Wie befürchtet dient das Informationsforum nur der Beruhigung und Befriedung von Menschen. Eine Begegnung auf Augenhöhe oder eine mitgestaltende Diskussion ist nicht vorgesehen. Die Idee von „Bürgerbeteiligung“ verkommt zum schlechten Witz.

Einwendungsverfahren

Vom 4. Mai bis zum 4. Juli 2014 Lagen die Unterlagen zum Rückbau aus und es konnten schriftliche Einwendungen dagegen vorgebracht werden. Der Termin kam für uns Initiativen vollkommen überraschend.
Was soll ein Informationsforum, wenn das Ministerium schon Termine verheimlicht und wir erst über die vorgeschriebene Ankündigung davon erfahren. Die Personen im Ministerium, die jahrzehntelang den Betrieb von Biblis ermöglichten, haben durch diese Heimlichtuerei unseren Protest bewusst behindert. Wir mussten Unterstützung einholen, die Unterlagen sichten, Einwendungen formulieren und konnten erst in den letzten 4 Wochen Unterschriften sammeln und unseren Protest in die Öffentlichkeit tragen. Trotz der kurzen Zeit konnten wir über 1000 Einwendungen sammeln, die wir dem Umweltministerium am 4. Juli öffentlich übergeben haben.

Wir von atomkraftENDE.darmstadt sind für einen direkten Rückbau von Biblis. Nach Durchsicht der Unterlagen zur Stilllegung und Rückbau bleibt uns jedoch nur festzustellen - so nicht!

Allgemein

  •  Zum Abbau der Atomkraftwerke Biblis A und B sind vom Betreiber mindestens zwei eigenständige, formalrechtlich voneinander unabhängige Genehmigungsverfahren vorgesehen. Dieser Vorgehensweise wird von unserer Seite widersprochen, da für die weiteren Schritte kein öffentliches Anhörungsverfahren vorgesehen ist.
  • Es gibt für das zweite Genehmigungsverfahren keine Angabe zum Antragszeitpunkt. Nach den Erfahrungen vergleichbarer Genehmigungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland und der Anlagensituation in Biblis, ist damit erst in 8 bis 10 Jahren zu rechnen. In diesem Zeitraum gibt sind diverse Änderungen zum Abbau oder auch beim Stand von Wissenschaft und Technik. Es gibt auch neu hinzugezogene Anwohner, die nie eine Chance hatten, ihre Einwände vorzutragen.
  • Das Genehmigungsverfahren für das Standortlager (LWR 2) ist ebenfalls vom Verfahren für den ersten Abbauschritt der Kraftwerke abgetrennt. Hier gibt es jedoch vielfältige Kopplungen.

Ohne Genehmigung, kein Baubeginn und keine belastbaren Angaben zur Fertigstellung des LWR 2 Lagers. Ein Rückbau kontaminierter Anlagenteile kann jedoch ohne das Lager nicht erfolgen. Das vorhandene LWR 1 Lager ist viel zu klein. Die Genehmigung zum Abbau darf jedoch nicht auf „Vorrat“ erteilt werden.
Das neue Lager ist mit rund 3000m² Fläche und 6,0 1016 Bq radioaktivem Inventar stark überdimensioniert. Hat RWE vor hier auch die Abfälle vom Abbau des AKW Mühlheim-Kährlich einzulagern? Formal wären dadurch die Antragsunterlagen der vorliegenden Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) unvollständig und müssten nachgebessert werden. Die dadurch notwendigen Atomtransporte bringen eine unnötige Gefahr beim Transport und bewirken eine vermeidbare radioaktive Belastung aller Anwohner.

Rückbau

  • Solange sich Brennelemente im Reaktorgebäude befinden, dürfen keine Rückbaumaßnahmen vorgenommen werden.
  • Es fehlt eine radiologische Charakterisierung (Kontaminationskataster) der Anlage, d. h. eine Beschreibung aller radioaktiv strahlenden Anlagenteile sowie nachvollziehbare Angaben, wie die Mengenangaben für die radioaktiven Abfälle zustande kommen.
  • Auch eine nachvollziehbare Beschreibung für den Ablauf des Umgangs mit den radioaktiven Reststoffen und Abfällen ist in den Unterlagen nicht vorhanden. Somit ist nicht erkennbar, wie und wo Stoffe bearbeitet, transportiert und gelagert werden und um welche Mengen es sich dabei im Einzelnen handelt.
  • Die vorgesehenen Abbaumaßnahmeverfahren müssen eine detaillierten Vorgehensweise beim Abbau konkreter Komponenten, Systeme oder Anlagenteile beinhalten, nur so kann eine Minimierung beim Strahlenschutz erreicht werden. Der Antrag von RWE benennt zwar verschiedene Maßnahmen, bleibt in Bezug auf die abzubauenden Komponenten und Anlagenteile oder der Reihenfolge des Abbaus unbestimmt.

Die Festlegung der Vorgehensweise im Genehmigungsverfahren ist zwingend erforderlich, da sonst die Bestimmtheit von Antrag und Genehmigung nicht gegeben sind.
Außerdem kann nur durch eine klare Festlegung der Vorgehensweise eine Minimierung von Strahlenbelastungen für Personal und Bevölkerung sowie eine möglichst geringe Störfallwahrscheinlichkeit in Bezug auf das Gesamtprojekt Stilllegung und Abbau gewährleistet werden.

 

  • Die für KWB-A und B ermittelte Strahlenbelastung am ungünstigsten Punkt durch radioaktive Abgaben mit der Fortluft ist zu hoch. Die beantragten zulässigen Höchstwerte für die Abgaben mit der Luft sind für die Genehmigung deutlich zu senken. Mit den beantragten Höchstwerten für die Abgabe radioaktiver Stoffe mit der Fortluft ergibt sich eine Strahlenbelastung (0,134 mSv/a), die den Grenzwert der Strahlenschutzverordnung für die effektive Dosis zu mehr als einem Drittel ausschöpft. Die Dosis muss minimiert werden.
  • Die Angaben in den ausgelegten Unterlagen zu Strahlenbelastung durch Direktstrahlung sind unakzeptabel. Es wird lediglich die Einhaltung des Grenzwertes der Strahlenschutzverordnung behauptet, aber keine ermittelten Werte angegeben. Die nach atomrechtlicher Verfahrensordnung (AtVfV) geforderte Möglichkeit zur Prüfung der eigenen Betroffenheit durch potenziellen EinwenderInnen sowie der Berücksichtigung des Minimierungsgebotes der Strahlenschutzverordnung ist nicht gegeben.
  • Beim Abbau eines Reaktorblockes in Biblis sollen 5700t radioaktives Material nach dem „10 Sv - Konzept“ freigemessen werden. In Summe werden dadurch 150 000 t strahlendes Material beim Abriss der deutschen AKWs dem normalen Stoffkreislauf zugeführt. 150 000 t sind eine Größe, bei der von einer Kumulierung auszugehen ist, wodurch das „10 Sv - Konzept“ nicht mehr eingehalten wird. Es sollte ein Gutachten erstellt werden, das eine Gesamtabschätzung der Folgen des freigemessenen Abfalls in Deutschland darstellt. Bis dahin darf kein Material freigegeben werden sondern ist einer Zwischen- bzw. Endlagerung zuzuführen.

Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU)

  • Es ist sicherzustellen, dass der Gutachter der Genehmigungsbehörde zur Umweltverträglichkeitsprüfung eigene Überlegungen zur Abgabe radioaktiver Stoffe im Normalbetrieb und zu Störfällen und ihren Auswirkungen anstellt und nicht lediglich die Angaben aus dem Sicherheitsgutachten übernimmt.
    Es muss sich um eine eigenständige gutachterliche Tätigkeit handeln. Bezüglich der Bewertung der Antragsunterlagen wird nur so das unter Sicherheitsaspekten wichtige Vieraugenprinzip eingehalten.
  •  Die UVU bezieht sich nur auf die erste Abbauphase. Die Errichtung des 17m hohen, 109m langen und 28 m breiten LAW 2 Lagers wird nur auf seine kumulativen Wirkungen in Bezug auf die erste Abbauphase untersucht. Der Einstufung, dass es keine relevanten kumulativen Auswirkungen durch das LAW-Lager gibt, wird generell widersprochen, da die Aussagen ohne Angaben zur Gebäudeausführung oder den zu installierenden Messsonden nicht überprüft werden können.
  • Die für die Reaktoren in Biblis ermittelten Strahlenbelastungen durch radioaktive Abgaben mit dem Abwasser von 0,258 mSv/a im Nahbereich und 0,184 mSv/a im Fernbereich sind zu hoch. Im Nahbereich wird der Grenzwert der Strahlenschutzverordnung fast völlig und im Fernbereich über die Hälfte ausgeschöpft.
  • Um dem Gegenzusteuern beantragt die RWE als Betreiber eine Verlängerung der beiden vorhandenen Abwasserleitungen. Das Vorhaben widerspricht dem Minimierungsgebot radioaktiver Belastungen. Dem Anstieg der Strahlenbelastung in den Abwasserrohren durch Entsorgung am Rand der Fahrrinne des Rheins (reine Verdünnung) entgegenzuwirken, bedeutet eine unnötige Gesundheitsgefährdung der Anwohner des Rheins.
    Den Standort für das Atomkraftwerk haben nicht die Rhein-Anwohner ausgewählt. Deshalb haben sie ein Recht auf möglichst geringe Strahlenbelastungen.
  • Nach einem Abtransport der BE gibt es überhaupt keine Begründung mehr für die Einleitung radioaktiver Abwässer. Die geringen Mengen sollten konditioniert und zwischengelagert werden.
  • Zur Entsorgung radioaktiver Abfälle ist als externe Einrichtung auch das Zwischenlager in Ahaus vorgesehen. Die Auswirkungen des Abtransports radioaktiver Stoffe in externe Lager werden von der UVU nicht berücksichtigt. Eine externe Lagerung nach derzeitigem Planungsstand wäre unzulässig.
  • Die Bewertung der Auswirkungen des Baustellenverkehrs ist nicht konservativ. Die Erhöhung des LKW-Verkehrs durch die Reduzierung der PKW-Bewegungen gegenzurechnen, widerspricht selbst der Erfahrung von Laien. LKWs sind lauter, emittieren mehr Luftschadstoffe, sind optisch störender usw.

Als kumulative Wirkung kommen zudem bis zu 30 LKW/Tag beim Bau des LAW-Lagers hinzu. Nicht erwähnt werden: Der LKW-Verkehr zur Ertüchtigung des Brennelemente-Zwischenlagers. Die Erhöhung des PKW-Verkehrs durch Mitarbeiter der vorgenannten Bauvorhaben.

Artenschutzfachbeitrag und FFH-Prognose

  • Der Artenschutzfachbeitrag und die FFH-Prognose sind als Anhang B und Anhang C der UVU aufgeführt. Es sollte sich jedoch um zwei eigenständige Untersuchungen handeln. Die Bewertung der Auswirkungen sind unabhängig von anderen Gutachten durchzuführen.
  • Bezugnehmend auf den letzten bei der UVU aufgeführten Punkt sind potentielle Störungen bei 6 Brutvögeln und einem Nahrungsgast zu erwarten.
  • Es ist nicht Aufgabe von Einwendern, Fachbeiträge und Prognosen zu erstellen, weshalb die Bewertungen und die daraus resultierenden Maßnahmen neu durchzuführen sind.

Erörterung

Die öffentliche Erörterung ist für Ende November geplant. Mal sehen, ob wenigstens nach außen hin eine Bürgerbeteiligung zu erkennen ist.

  • Erhalten wir rechtzeitige Information über den Zeitraum der Erörterung?
  • Können wir vorab Anträge zur Änderung und Ergänzung der Tagesordnung stellen?
  • Gibt es für uns Arbeitsräume mit einer entsprechenden Ausstattung?
  • Findet die Erörterung erst am späten Nachmittag und abends statt, damit auch die arbeitenden BürgerInnen Gelegenheit haben, ihre Einwendungen vorzubringen.?

Oder:

  • Werden wir irgendwo ohne Ausstattung herum sitzen.
  • Wird man uns durch kleinliche Kontrollen schon vorab ermüden?
  • Wird die Teilnahme der arbeitenden Bevölkerung durch die Sitzungszeiten verhindert?
  • Würgt der oder die Vorsitzende die Redezeiten gerade an den kritischen Punkten ab?
  • usw.

Wir hoffen auf eine große öffentliche Beteiligung am Erörterungstermin. Das AKW-Biblis bleibt auch Thema nach dessen Stilllegung und wird uns noch auf Jahre beschäftigen. Solange es Brennelemente in den Reaktoren gibt, bleibt die Gefahr eines Supergaus (siehe Fukushima, Block4). Für die gesamte Zeit des Rückbaus kann es zu Störfällen mit erhöhtem Austritt von Radioaktivität kommen. Während des gesamten Rückbaus gibt es Direktstrahlung sowie Emission von radioaktiver Strahlung durch die Abluft und das Abwasser.
Das Brennelement-Zwischenlager und das Zwischenlager für schwach radioaktiven Müll (LAW2) werden uns auch nach der Rückbauphase erhalten bleiben. Es gibt keine Endlager! Beide Zwischenlager sind nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze oder terroristische Anschläge geschützt und bleiben eine permanente Bedrohung.

atomkraftENDE.darmstadt
(eMail: kontakt@atomkraftende.de; Internet: www.atomkraftende.de)

Georg Dombrowe
02.09.2014
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