Steuereinbruch trotz guter Konjunktur

Magistrat will Grundsteuer erhöhen. Auch Kita-Gebühren?

Völlig überraschend teilte der Magistrat am 2.Mai den Ausfall von Gewerbesteuern in Höhe von 52 Millionen Euro mit. Das ist etwa ein Viertel der eingeplanten Gewerbesteuereinnahmen. Mittlerweile ist es wohl klar, dass die verringerten Einnahmen zum größten Teil auf die Firma Merck zurückgehen (DE, 4.5.2017). Die Überraschung ist auch deshalb so groß, weil es zurzeit eine für Unternehmen sehr günstige Konjunktur gibt  und der Magistrat immer wieder Darmstadt als wirtschaftlich aufstrebende Stadt darstellt. Gerade die Firma Merck kann auf eine lange Phase guter Betriebsergebnisse zurückblicken. So wurden die Dividenden seit 2011 jedes Jahr erhöht. Im April diesen Jahres beschloss die Hauptversammlung die Ausschüttung von 155 Millionen Euro an die freien Aktionäre. Diese halten aber nur 30 Prozent der Anteile. 70 Prozent befinden sich im Besitz von über hundert Nachkommen des Firmengründers. Sie werden also auch noch einmal etwa 360 Millionen Euro einnehmen. Vor diesem Hintergrund ist  ein Rückgang der Gewerbesteuer in dieser Höhe unverständlich.

Gewerbesteuer: Abhängig von Konjunktur und einmaligen Ereignissen

Bis 1998 gab es als Einnahmequelle für die Kommunen neben der Gewerbesteuer noch eine Gewerbekapitalsteuer. Mit dieser Steuer sollte auch der Bestand des Unternehmens berücksichtigt werden. Bis 1980 erhoben die Kommunen auch noch eine Lohnsummensteuer, das waren zwei Promille der von der Firma gezahlten Löhne. Beide Steuern wurden abgeschafft, um die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu verbessern. Teilweise ausgeglichen werden die Einnahmeverluste durch Zuschüsse aus der Mehrwertsteuer, die vor allem die unteren Einkommen belastet. Den Kommunen bleibt als Einnahme aus Gewerbebetrieben nur noch die Gewerbesteuer. Diese bezieht sich hauptsächlich auf den Ertrag des Unternehmens. Damit ist sie aber nicht nur sehr stark von der Konjunktur abhängig, sondern auch von einmaligen Ereignissen. So können etwa die Kosten der Übernahme eines anderen Unternehmens den Ertrag schmälern und damit auch die zu zahlende Gewerbesteuer mindern. Hinzu kommt, dass nur ein Teil der Unternehmen Gewerbesteuer zahlt, zur Zeit nur jedes sechste. Es gibt einen Freibetrag von 25.000 Euro und steuerliche Querverbünde erlauben es auch großen Unternehmen, sich von der Gewerbesteuer freistellen zu lassen. Für Kommunen ist auf dieser Basis eine langfristige Planung kaum möglich. Wichtig wäre also eine Neuordnung der kommunalen Steuern, die den Kommunen berechenbarere Einnahmen garantiert, unabhängig von der aktuellen Konjunktur und zufälligen Entscheidungen.

Wer soll die Zeche zahlen?

Wurden durch diverse Steuerreformen und durch den bisher niedrigen Hebesatz in Darmstadt die Kapitaleigner entlastet, so stellt sich jetzt die Frage, wer die Folgen der Einnahmeausfälle auszubügeln hat. Und einige Äußerungen der Stadtoberen lassen das Schlimmste befürchten.

Um die Folgen des Einbruchs zu mindern will der Magistrat die Gewerbesteuer und die Grundsteuer erhöhen. 11,5 Millionen Euro sollen durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer um sieben Prozent eingebracht werden.  Damit würden auch Unternehmen einen Beitrag leisten. Aber diesen Schritt haben andere Parteien, vor allem SPD und DIE LINKE schon lange gefordert. Der Hebesatz wird dadurch nur auf das Niveau vergleichbarer Städte in Hessen angehoben. Wäre diese Anhebung früher erfolgt, hätte der jetzt vermeldete Steuerausfall keine so gravierenden Folgen gehabt.

Grundsteuer: Erhöhung der Wohnkosten

Außerdem hat schwarz-grün mal wieder die Grundsteuer im Auge. Sie soll um 21,5 Prozent erhöht werden. Das wäre die dritte Erhöhung seit 2011, als CDU und Grüne erstmals den Magistrat bildeten. Mit der jetzt geplanten Erhöhung wäre das eine Steigerung um 75 Prozent. Die Grundsteuer wird zwar von den Hausbesitzer_innen erhoben, wird aber in der Regel über die Nebenkosten auf die Mieter_innen abgewälzt. Es ist also eine Steuer, die alle mehr oder weniger gleich trifft. Deshalb gilt sie als besonders unsozial. Der Darmstädter Mieterbund spricht sich aus diesem Grund gegen eine Erhöhung der Grundsteuer aus, da dies nur zu einer Erhöhung der Mietnebenkosten führe. Auch alle in Opposition zum Magistrat stehenden Fraktionen lehnen das Vorhaben ab. Das ganze Projekt könnte damit am Widerstand der Fraktion von UFFBASSE scheitern, also der Gruppierung, auf deren Stimmen der Magistrat mangels eigener Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung angewiesen ist. Die Vorschläge des Magistrats werden von ihnen so beschrieben: „Wir kämpfen um eine Satzung für bezahlbaren Wohnraum für ein paar Leute (weil es werden ja auch nur eine überschaubare Anzahl von Wohnungen gebaut) und hauen dann bei den Nebenkosten für alle ganz massiv drauf.“  Es bleibt zu hoffen, dass die Stadtverordneten von UFFBASSE bei ihrer Ablehnung bleiben.

Haushaltssperre

Außerdem will der Magistrat auch eine Haushaltssperre für „freiwillige Leistungen“ beschließen. Dahinter verbergen sich hauptsächlich Zuschüsse für Vereine und kulturelle Initiativen. Diese wurden von Grün-Schwarz bereits dauerhaft um 20% eingedampft, um Planungssicherheit auf niedrigerem Niveau zu gewährleisten. Nun soll ihnen diese Sicherheit wieder genommen  und ihr zum großen Teil ehrenamtliches Engagement als Puffer für Schwankungen im Haushalt missbraucht werden. Die Sperre würde vorgesehene Projekte in Frage stellen.

Erhöhung der Kita-Gebühren?

Nach dem Widerspruch von UFFBASSE will Stadtkämmerer Schellenberg nichts mehr ausschließen und erwägt sogar eine Erhöhung der Gebühren in den städtischen Kindertagesstätten. Damit ist natürlich auch mit der Erhöhung sonstiger Gebühren und Abgaben zu rechnen.

Prestigeobjekte auf dem Prüfstand

Auch alle in Planung befindlichen Großprojekte sollen auf den „Prüfstand“. Darunter gibt es natürlich eine Reihe von bloßen Prestigeobjekten (Landesgartenschau, Weltkulturerbe Mathildenhöhe) oder sinnlose Vorhaben wie die Straßenbahn zur Lichtwiese, auf die gut zu verzichten wäre. Aber meint das der Magistrat? Wichtig wäre es auf jeden Fall, den Neubau des Nordbads und des Berufsschulzentrums umzusetzen.

Zusätzliche Probleme durch Kommunalen Schutzschirm

Besondere Probleme entstehen der Stadt noch durch ihren Beitritt zum kommunalen Schutzschirm. Das Land Hessen machte seinen hochverschuldeten Kommunen das Angebot, sich unter den sog. Kommunalen Schutzschirm zu begeben. Das Land übernahm dafür einen Teil der Schulden, machte aber auch strenge Auflagen für den Haushalt. Der Kämmerer hatte damals abgewiegelt, weil man die Auflagen sowieso erreichen würde. Der Zwang zur Erhöhung der Grundsteuer geht z.B. auf diesen Schutzschirm zurück. Ziel soll es sein, das städtische Defizit zu verringern und zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Schuldenbremse und die berühmte „schwarze Null“ sollen so auch in den Kommunen durchgesetzt werden. Andere Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung hatten vor der Teilnahme am Schutzschirm gewarnt. Auch die Gewerkschaften fanden dies unter „sozial-, bildungs-und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten“ problematisch. Gewarnt wurde auch vor den Risiken des Beitritts.

Diese Warnungen erweisen sich nun als berechtigt. Wenn Darmstadt für 2017 keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann, droht die Rückforderung der 186 Millionen Euro, die Darmstadt aus dem Schutzschirmprogramm erhalten hatte.

Reinhard Raika
06.05.2017
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