Im Dezember 2017 stimmte die Gemeindevertretung (GVE) in Mühltal mit großer Mehrheit einem Antrag der Linken-Fraktion zu, einen qualifizierten Mietspiegel für Mühltal zu erstellen. Um dabei Kosten zu sparen, wird dazu die nächste Novellierung des Darmstädter Mietspiegels abgewartet (bis 2021), um die Erstellung des Mietspiegels dann gemeinsam mit der Stadt Darmstadt durchzuführen.
Mühltal wäre somit die einzige oder sogar erste Gemeinde unter 20.000 Einwohnern, die den Bürgerinnen und Bürger einen qualifizierten Mietspiegel bereitstellt, ein durchaus soziales Prädikat! Ein qualifizierter Mietspiegel ist, basierend auf einer statistisch verlässlichen Erhebung und nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, für Mieter und Vermieter eine aussagekräftige Hilfe bei der Bemessung der Miethöhe in neu auszuhandelnden Mietverträgen. Er stellt deshalb ein effektives Mittel zur Mietpreisbegrenzung und –kontrolle dar. Im Gegensatz zu dem sog. einfachen Mietspiegel wird er auch in eventuellen Zivilverfahren anerkannt.
Leicht war es wohl allerdings nicht, die Gemeinde mit diesem Ansinnen anzufreunden. In einer Stellungnahme der Verwaltung vor Antragsbehandlung im Gemeindeparlament wurde zunächst entgegengehalten, das sei ja eine zu teure „nicht vorgeschriebene“ „freiwillige Leistung“, von der „vor allem die Vermieter profitierten“. Erst eine sorgfältige Replik über Inhalt und Erstellungsmöglichkeiten eines qualifizierten Mietspiegels von Frau Margit Heilmann (Mieterbund Darmstadt), in dem dieser als für beide Parteien, Mieter und Vermieter, sehr hilfreich empfohlen wird, hatte genügend Überzeugungskraft und zerstreute die anfänglichen Bedenken.
Wozu ein qualifizierter Mietspiegel?
Die Ortsteile der Gemeinde Mühltal sind keine kleine Dörfer im Nirgendwo, sondern befinden sich in unmittelbarer Nähe zu einer Großstadt und werden in Politik und Medien oft als „Randgebiete Darmstadts“ benannt. Die Entfernung zwischen der Stadtmitte Darmstadt zu Mühltal (Traisa / Nieder-Ramstadt) ist die gleiche wie die zu Arheilgen oder Eberstadt, beides Stadtteile von Darmstadt. Diese geographische Tatsache bringt alle bedenklichen Folgen mit sich, die sich in den Bereichen Verkehr, Infrastruktur und vor allem Wohnungsmarkt widerspiegeln. Demzufolge kann Mühltal nicht mit anderen Orten unter 20.000 Einwohnern verglichen werden.
Von der Nicht-Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels profitieren auch in kleineren Orten vor allem Spekulanten und Miet-Haie. Das Fehlen eines Mietspiegels würde hier weiterhin bedeuten, dass jeder auf verschiedene Internetseiten unqualifizierte Daten über Mühltal veröffentlichen darf. Bei Neuvermietungen würden sich Vermieter auf den Mietspiegel Darmstadts berufen, welcher nicht die Realität Mühltals abdecken kann und darf. Zudem wächst die Gemeinde kontinuierlich, in wenigen Jahren und nach Fertigstellung der neugeplanten Wohnungen werden weit mehr als 16.000 Einwohner in Mühltal leben. Wo genau Mühltal beginnt und wo Darmstadt geographisch endet, ist im Flächennutzungsplan markiert. Die sozialen und wirtschaftlichen Trennungen sind dagegen schwer auf Papier zu bringen.
Mario Guglielmi studierte Gesellschaftswissenschaften in Frankfurt/Main und ist als ehrenamtlicher Beigeordneter in Mühltal aktiv
