Die Stadt der Künste vergisst ihre Künstler*innen

Antrag auf Unterstützung der heimischen Kulturszene abgelehnt

Die Stadt Darmstadt bewarb früher sich selbst mit dem Slogan „Stadt der Künste“. Es gab sogar einen eigenen Poststempel dazu. Ist aber schon ganz schön lange her und anscheinend vergessen, wie der Verlauf der letzten Stadtverordnetenversammlung zeigt. Am 3.12.20 beantragte die LINKE anlässlich der Haushaltsberatung ein Förderprogramm zur „Stärkung der Kulturarbeit in der Corona-Krise“. Die dabei bereit zu stellenden Mittel sollten aufgeteilt werden in einen Struktur-und einen Projekt-Fonds.

Der vorgeschlagene Projekt-Fonds ist gedacht zur direkten Unterstützung der Lebenshaltung von in Darmstadt lebenden und praktizierenden Künstler*innen. Für diesesProjekt sollen bis 300.000 € zur Verfügung gestellt werden. „Die Mittel werden eingesetzt zur Vergütung von Online-Projekten oder als Stipendium für die Vorfinanzierung von künstlerischen Initiativen, die zur konkreten Umsetzung kommen können, wenn die Lage Kulturveranstaltungen wieder zulässt. Insbesondere förderungswürdig sind die Entwicklung neuer kreativer Ansätze der Kunstvermittlung sowie Themenstellungen, die sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie befassen.“ Das Stipendium ist auf drei bis sechs Monate angelegt und soll 1000 € im Monat betragen. Es sollen die Künstler*innen bevorzugt werden, die durch die Corona-Krise besonders starke Einkommensverluste erlitten haben. Die Stipendien in Höhe von 1000 € im Monat sollen niedrigschwellig und ohne Überprüfung der finanziellen Bedürftigkeit gewährt werden. Der Projektfonds ist von daher dringend notwendig, da die Solo-Selbstständigen im Kulturbereich seit neun Monaten auf Hartz IV verwiesen werden.

Der Struktur-Fonds soll dazu dienen, die durch das erneute Herunterfahren des Kulturbetriebs entstandene finanzielle Notlagen von Kultur-Institutionen, -vereinen oder -initiativen abzuwenden oder zu mildern. Er soll mit Geldern bis zu einer Höhe von 100.000 Euro ausgestattet werden.

Die Stadt Darmstadt hat Förderungsgelder für Kulturbetriebe zur Verfügung gestellt, z. B. für das Hoffart-Theater, die Bessunger Knabenschule und das Theater im Pädagog. Die Centralstation und die Oetinger-Villa erfahren Absicherungen bzw. Betriebskostenzuschüsse durch die Stadt. Ob aber die Zuschüsse für die freien Träger ausreichend sind, ist mehr als fraglich. Entscheidend ist aber, dass keine Förderungen für die Künstler*innen auf individueller Ebene stattfinden.

Der Antrag der LINKEN wurde zwar von der grün-schwarzen Koalition und UWIGA abgelehnt, aber eine Reihe anderer Fraktionen - SPD, UFFBASSE und FDP - unterstützten die Initiative. Dem Darmstädter Echo war dieser Vorschlag zur Unterstützung der heimischen Künstlerszene keine Berichterstattung wert. Angelehnt an den alten Slogan, kann es in der nächsten Zeit wohl heißen: „Darmstadt – die Stadt der sterbenden Künste“. Der von Grün-Schwarz abgelehnte Antrag hätte für viele von den Künstler*innen eine Absicherung der materiellen Existenz bedeutet.

 

PS: Darmstadt nannte sich früher auch mal „die Stadt im Wald“. Ob auch dieser alte Werbespruch entsprechend aktualisiert werden muss?

 

 

Erhard Schleitzer
30.12.2020
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