Heinerliner und Clevershuttle

Clever für die Deutsche Bahn, überhaupt nicht clever für die Busfahrer*innen

„Digital bestellen, bequem fahren, entspannt ankommen“ - so der (Ex-)Verkehrsminister Scheuer bei der Vorstellung seines „Modellprojektes zur Stärkung des ÖPNV“. Wie immer ist bei seinen Worten Vorsicht geboten. Der Heinerliner in Darmstadt ist ein von dem Bundesministerium für Verkehr geförderten Modellprojekten, für die bis 2024 bis zu 250 Millionen € bereit stehen. Für den Heinerliner gibt es hohe Zuschüsse, 4 Millionen € vom Bund sowie vom Land und dem RMV. Die Stadt Darmstadt gibt 2021 einen Zuschuss von 1,9 Millionen €, der aber bis zum Ende des Projekts auf 0,5 Millionen € sinken soll. Laut HEAG-Mobilo liegt die Förderquote damit bei 40 %. Insgesamt schießt die Stadt bis 2024 4,5 Millionen € zu.

Für die Nutzung des Heinerliners sind 4 € Grundgebühr fällig, zuzüglich 0,35 Cent für jeden ab dem 2. gefahrenen Kilometer. Ein Modellprojekt, nicht gerade für Geringverdiener und vor allem nicht für ältere Menschen mit Gehbehinderung, da die Heinerliner, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nicht behindertengerecht ausgebaut sind. Zwar kann der Heinerliner nicht nur über Smartphone, sondern auch telefonisch bestellt werden. Doch vor einer telefonischen Bestellung muss man/frau sich im Kundencenter am Luisenplatz registrieren lassen, eine Geldkarte zum bargeldlosen Bezahlen besorgen und wieder aufladen lassen. So berichten die Busfahrer, dass im Heinerliner nur sehr wenig ältere Menschen mitfahren.

Für den „normalen“ öffentlichen Nahverkehr verlangt die HEAG-Mobilo für die Tarifzone 2 (von Eberstadt, Arheilgen,Wixhausen oder Kranichstein in die Innenstadt) für einen Einzelfahrschein für Erwachsenen 2,80 €, für die Tageskarte (hin und zurück) 5,45 €. Fährt man/frau zu zweit von den Vororten in die Innenstadt kostet das Ticket 9,30 €. Diese Preise sind recht deftig und können sich nicht alle für einige Tage in der Woche leisten. Oder das Auto wird benutzt – weil es erst mal billiger erscheint. Weshalb also nicht den „normalen“ öffentlichen Nahverkehr vorrangig subventionieren und die Verbindungen „on demand“ nachrangig behandeln? Vorstellbar wäre das 1-€-Ticket, knausrige Stadtverwaltungen könnten mit der Ausgabe für die Wochenenden oder für sozial Bedürftige beginnen.

Die Deutsche Bahn bekommt den Zuschlag

Bei der europaweiten Ausschreibung für den Heinerliner bekam eine Bietergemeinschaft von Clevershuttle und Ioki, beide sind Tochtergesellschaften der Deutschen Bahn (DB), den Zuschlag. Clevershuttle wurde 2014 als Startup-Unternehmen für Ridepooling für Elektrofahrzeuge gegründet. Zuerst kaufte DB 20 % von dem Startup-Unternehmen, 2018 übernahm sie von weiteren Investoren, darunter Daimler, für eine zweistellige Millionensumme 76% der Anteile von Clevershuttle. Mit ihrem Tochterunternehmen begann die Bahn eine enorme Expansion in fast allen wichtigen Großstädten Deutschlands, musste sich dann aber wegen starken Konkurrenzdrucks aus Städten wie Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart zurückziehen. Durch die Schließung der Standorte ist die Mitarbeiterzahl um rund 850 reduziert worden. Clevershuttle soll mittlerweile einen Verlust von 100 Millionen € eingefahren haben. Die DB wollte unbedingt Firmen wie Uber etwas entgegensetzen und ließ sich auf eine riskanten Unternehmenspolitik ein.

Die DB änderte daraufhin ihr Geschäftsmodell. Sie stieg aus dem Direktgeschäft mit Endkunden (Business-to-Consumer, B2C) aus und setzt nun auf Zusammenarbeit mit Kommunen bzw. kommunalen Verkehrsbetriebe (Business-to-Government, B2G). So wie nun geschehen in Darmstadt. Nach außen hin ist HEAG-Mobilo der Anbieter, doch die Einstellung und Einteilung des Fahrpersonals, die Software für die Bündelung der Fahranfragen werden von Clevershuttle und Ioki vorgenommen. Gewinner dieses neuen Geschäftsmodells ist eindeutig die Deutsche Bahn. Solange die Fördergelder fließen, werden Clevershuttle und Ioki saniert.

Das Projekt des Heinerliners ist auf 4 Jahre angelegt. Bei Erfolg soll es weiter geführt und von Heag-Mobilo übernommen werden. Wie die weitere Entwicklung des Heinerliners in Darmstadt aussieht, wenn die derzeitige Förderquote von 40 % heruntergefahren wird bzw. gänzlich ausläuft, ist sehr fraglich. Die Schließung von Standorten in anderen Großstädten, das Bestreben der DB Kosten einzusparen und die erfolgten massiven Entlassungen von Personal lassen einen eher skeptischen Ausblick zu.

Verlierer ist das Fahrpersonal

Die Fahrer*innen beim Heinerliner erhalten mit 10 € pro Stunde nur wenig mehr als den Mindestlohn von 9,60 €. Hinzu kommt ein Nachtzuschlag von 25%. An Urlaub wird nur das gesetzliche Minimum von 20 Tagen im Jahr gewährt. Busfahrer*innen, die regulär bei der HEAG-Mobilo eingestellt sind, erhalten seit dem 1.4.2012 16,40 Euro pro Stunde. Das Gehalt steigt am 1. Juli 2022 auf 17,10 Euro und am 1. Oktober 2023 auf 17,80 Euro. Hinzu kommen weitere Zulagen. Für die Gewerkschaft ver.di ist das ein Unterlaufen des Tarifvertrags und sie weist darauf hin, dass für diese Beschäftigten die Altersarmut vorprogrammiert ist. HEAG-Mobilo reagierte angeblich erstaunt auf diese Kritik. Der Tarifvertrag der HEAG-Mobilo gelte nur für die eigenen Mitarbeiter*innen. Und hätte man das Personal bei HEAG-Mobilo angestellt, wäre an erheblicher Teil an Subventionen verloren gegangen.

„Der Heinerliner bietet uns die großartige Chance, die Mobilitätswende in Darmstadt weiter voranzubringen“, erklärt Oberbürgermeister Jochen Partsch. Was ist das für eine großartige ökologische Politik, die auf Lohndumping und Ausbeutung billiger Arbeitskräfte setzt?

 

Erhard Schleitzer
04.11.2021