Galeria - Eine riesige Immobilienspekulation

Schließung von Galeria Kaufhof in Darmstadt

Der Kaufhof Darmstadt, ein Traditionswarenhaus vor Ort mit markanter Fassade, soll geschlossen werden. Im Rahmen eines „Sanierungskonzepts“ ist geplant, bundesweit 47 Filialen von GaleriaKarstadtKaufhof dicht gemacht werden, in der Region Südhessen/ Rhein-Main zusätzlich Filialen in Viernheim, Offenbach, Frankfurt und Wiesbaden. Von den 17.000 Arbeitsplätzen bundesweit sollen mehr als 5.000 abgebaut werden, hauptsächlich sind Frauen davon betroffen. Vor zwei Jahren hatte KarstadtKaufhofGaleria bereits in einem Insolvenzverfahren 40 von 172 Filialen geschlossen und 5.000 Beschäftigte entlassen.

Viele Darmstädter*innen fragten sich bereits, was sollen zwei Galeria-Kaufhäuser vor Ort? In den Tageszeitungen beigelegten Prospekten werden Angebote beworben, die in beiden Kaufhäusern gleichzeitig gekauft werden können und der/die Kunde/in erhält den Eindruck, die Angebote der zwei Warenhäuser sind identisch. Damit wird gezielt verhindert, dass die beiden Kaufhäuser eine eigene Angebotspalette und ein eigenes Profil entwickeln. Auch der zunehmende Personalabbau lässt die beiden Kaufhäuser unattraktiv erscheinen. Kund*innen möchten eine qualifizierte Beratung und nicht lange vergeblich nach Verkäufer*innen suchen.

Die Beschäftigten und Verdi fordern seit Langem, die Sortimente stärker auf die lokalen Kundenbedürfnisse auszurichten und den Verantwortlichen vor Ort einen größeren Handlungsspielraum zu ermöglichen. Qualifiziertes Personal müsse gehalten und nicht eingespart werden. Dafür muss natürlich eine faire Bezahlung erfolgen. Wichtig seien auch, dringend notwendige Investitionen in den Filialen vorzunehmen.

Das alles ist nicht aufgegriffen und nicht befolgt worden. Es scheint, als haben die jeweiligen Erwerber und Finanzjongleure nicht im Sinn gehabt, die Kaufhäuser als Kaufhäuser zu erhalten, sondern nur ihre Immobilien zu verwerten.

Karstadt

Die Karstadt-Kaufhäuser waren bereits seit 2004 in finanziellen Schwierigkeiten. Der damalige Karstadt-Quelle-Konzern verkaufte 2006 und 2008 seine Grundstücke und Gebäude an ein Konsortium (u.a. Goldmann Sachs und Deutsche Bank). 2009 leitete der Karstadt-Konzern das bis dahin größte Insolvenzverfahren der Bundesrepublik Deutschland ein. Karstadt wurde von der Berggruen Holding übernommen, dessen Chef als Karstadt-Retter gefeiert wurde. Der Insolvenzverwalter Görg setzte ver.di unter Druck und erzwang einem Sanierungstarifvertrag, in dem die Beschäftigten auf 150 Millionen Euro verzichteten, um das Unternehmen zu retten. Später wurde bekannt, dass der Insolvenzverwalter 50 Millionen Euro für seine „Mühen“ erhalten haben sollen. In den folgenden Jahren rutschte Karstadt immer tiefer in die Krise, die Beschäftigten verzichteten insgesamt auf 650 Millionen Euro. 2013 verkaufte Berggruen die Premium- und Sporthäuser zu je 75,1 Prozent und ein Jahr später die 83 Karstadt-Warenhäuser komplett an die österreichische Signa Holding des Investors René Benko, ein weltweit agierender milliardenschwerer Immobilienspekulant.

Kaufhof

Galeria Kaufhof wurde 2015 durch die kanadische Hudson Bay Company (HBC) übernommen. Auch bei Galeria Kaufhof liefen die Geschäfte schlecht und verdi wurde ebenso wie bei Karstadt unter Druck gesetzt, starken Einschnitten bei den Gehältern zuzustimmen, um die 21.500 Arbeitsplätze zu erhalten. 2018 brachte HBC die Galeria Kaufhof in ein Joint Venture mit der Signa Holding ein und veräußerte ihre Anteile dann 2019 komplett für 1,5 Milliarden Euro an die Signa Holding. Die Fusion von Kaufhof und Karstadt war damit abgeschlossen.

GaleriaKarstadtKaufhof

Die schwierige Entwicklung im Einzelhandel und Missmanagement führten dazu, dass 2020 ein Schutzschirmverfahren für GaleriaKarstadtKaufhof beantragt wurde. (Das Schutzschirmverfahren soll nach seinem Zweck den Weiterbestand der Firma sichern: es dauert maximal drei Monate und dient dazu, dem Unternehmen Zeit und Schutz vor seinen Gläubigern zu verschaffen und einen Sanierungsplan zu erarbeiten; in dieser Zeit erhalten die Arbeitnehmer*innen ihre Löhne und Gehälter von der Agentur für Arbeit gezahlt).

Der Sanierungsplan sah vor, von den 22.300 Beschäftigten fast 6.000 zu entlassen. In Verhandlungen gelang es verdi, die Zahl der zu schließenden Filialen von 80 auf 62 zu reduzieren und dass die betroffenen Beschäftigten für mindestens sechs Monate in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln konnten. Durch weitere Aktivitäten von verdi und lokalen Bündnissen vor Ort konnte erreicht werden, dass zusätzliche 21 Einrichtungen gerettet wurden. Insgesamt verloren 2.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz und 1.800 wechselten in Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Mit der Drohung, Einrichtungen zu schließen, wurden die Beschäftigten zu einschneidendem Lohnverzicht gezwungen. Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens wurden 2 Milliarden Euro an Schulden erlassen.

Benko bedient sich an Staatshilfen

Bereits während der Coronapandemie erhielt der Warenhauskonzern ein Darlehen von 460 Millionen Euro von der Bundesregierung, rückzahlbar bis Ende 2026. Im Januar 2022 bekam der Konzern weitere Staatshilfen in Höhe von 250 Millionen Euro. Da GaleriaKarstadtKaufhof im Oktober 2022 eine zweite Insolvenz im Schutzschirmverfahren eingeleitet hat, bestehen erhebliche Zweifel, ob dieses Geld jemals zurück gezahlt wird. In dem Insolvenzplan soll stehen, dass der Staat auf 590 Millionen Euro Rettungsgelder verzichten soll, anderenfalls wird der Geschäftsbetrieb eingestellt und über 17.000 Arbeitsplätze fallen weg.

Die Strategie des Milliardärs Benko wird noch perfider. Er kauft nämlich die Warenhäuser in den besten Innenstadtlagen und trennt die Betreibergesellschaften von den Immobilien. Galeria Properties, eine Gesellschaft der Signa-Holding, ist Eigentümer der Immobilien und kassiert stattliche Mieten von den Betreibern der Galeria-Kaufhäuser. Zwei Tage nach der 250 Millionen-Zusage im Januar 2022 veröffentlichte die Galerie Properties ihre Bilanz für 2020, in der eine Gewinn-Ausschüttung von 450 Millionen Euro ausgewiesen wurde. Zufälliges Timing?

Der Wert von zehn Immobilien, unter anderem Kaufhäuser in Hannover, Bonn und Aachen, wird auf etwa einer Milliarde Euro geschätzt. Das teuerste darunter, das Kaufhof-Gebäude in Hannover auf allein 200 Millionen Euro. Werden diese den Galeria Properties gehörenden Immobilien veräußert, wird der Gewinn an die Sigma-Holding weitergereicht. Und Benko wird noch reicher.

Da GaleriaKarstadtKaufhof im Oktober letzten Jahres die zweite Insolvenz im Schutzschirmverfahren beantragt hat, besteht die Gefahr, dass sich die ganze alte ungute Geschichte wiederholt. Betriebsrat und verdi wollen Filialschließungen und Massenentlassungen verhindern und Benko startet weiter seine Erpressungsversuche. Sein Vermögen wird mittlerweile auf 4,3 Milliarden Euro geschätzt.

 

Weitere Informationen unter: https://gewerkschaftsforum.de/die-unendliche-karstadt-kaufhof-galeria-ge...

 

 

Erhard Schleitzer
24.03.2023
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