Das „Bündnis Pflege“ führte am 09.12.2024 im Altenheim Heimathaus in Darmstadt eine Veranstaltung zu dem Thema „Alter(n) und Pflege im Sozialraum und Quartier/Gemeindepflege – ein Konzept der Zukunft“? durch. Erschienen waren 60 interessierte Personen. Erhard Schleitzer von den ver.di Senior*innen begrüßte die Anwesenden und stellte das Bündnis Pflege vor, welches sich in der Nachbereitung der Aktionen zum Tag der Pflege im Mai dieses Jahres gegründet hatte.
Jürgen Frohnert, ehemals Vorsitzender der Fachkonferenz Altenhilfe, gab eine Einführung in das Thema Gemeindepflege. In unserer zunehmend alternden Gesellschaft wünsche sich ein Großteil der älter werdenden Bevölkerung einen würdevollen und sozial gesicherten Verbleib sowie die Integration in der gewohnten Umgebung. Bei Einschränkungen der Alltagskompetenzen, erhöhtem Hilfe- und Unterstützungsbedarf oder gar einem Eintritt von Pflegebedürftigkeit führt dies häufig zu einer veränderten Lebenswelt, die die Betroffenen und Angehörigen vor große Herausforderungen stellt. Hier setzen präventive, beratende und sorgende Angebote wie die vom Land Hessen geförderte „Gemeindepflege“ an. In Darmstadt gibt es dieses Angebot in Wixhausen, im Pallaswiesen- und Mornewegviertel, in Bessungen und in Kranichstein. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg arbeiten Gemeindepfleger*innen in Ober-Ramstadt, Seeheim-Jugenheim, Pfungstadt und Weiterstadt. In diesem zum Teil seit 2019 laufenden Projekten zeigt sich ein hoher Bedarf an dieser Unterstützung und es zeigt sich, wie wertvoll die Gemeindepflege für die älteren Menschen und deren Angehörigen ist.
Auf Grund der Haushaltslage des Landes Hessen und der mitfinanzierenden Kommunen ist nach Einschätzung des „Bündnisses Pflege“ die Weiterfinanzierung nach 2025 bzw. 2026 gefährdet und die Gemeindepflege könnte vor dem Aus stehen. Das „Bündnis Pflege“ fordert vom Land Hessen, die Gemeindepflege in der Fläche auszubauen und in eine Regelfinanzierung zu überführen.
Pionierprojekt in Wixhausen
Katharina Müller berichtete in einem beeindruckenden Vortrag von ihrer Arbeit als ehemalige Gemeindeschwester in Wixhausen. Anschaulich wurde in Fallbeispielen über alltägliche Einschränkungen von kranken älteren Menschen berichtet, wie ihnen Hilfestellungen angeboten und auch umgesetzt wurden. Wesentlich ist die „aufsuchende“ Hilfe für die betroffenen Menschen, da die meisten von ihnen eine Scheu haben, sich Hilfe von außerhalb zu holen. Ein*e Gemeindepfleger*in erbringt dabei keine pflegerischen Maßnahmen, sondern berät und koordiniert als „Kümmerin“. Ganz wichtig dabei ist die Zusammenarbeit mit örtlichen Initiativen und Vereinen, wie Seniorengruppen, Stadtteilinitiativen, Wohlfahrtsverbänden und Kirchengemeinden. Vielen älteren Menschen konnte damit eine stationäre Einrichtung erspart bzw. konnte die Aufnahme weiter hinausgezögert werden. Am Ende ihres Vortrages über ihre konkrete Arbeit in Wixhausen stellte Katharina Müller an das Publikum die nachdenkliche Frage, was mit den älteren Menschen passiert wäre, wenn es eine Gemeindeschwester nicht gegeben hätte.
Adriana Lanza vom Altenheim Heimathaus stellte ihre Arbeit in dem Projekt „Gemeinsam alt statt Einsamkeit im Alter“ vor. Mit vielfältigen Maßnahmen, wie das Schaffen von Begegnungsorten inner- und außerhalb der Altenpflegeeinrichtung, die Organisation von Vortragsreihen und die Etablierung eines Beratungsangebots, soll der sich verstärkenden Einsamkeit von Älteren entgegen gewirkt werden.
Hilft ein Ausbau der Gemeindepflege Kosten sparen?
Gabriele Kleiner, die als Sozialgerontologin an der Evangelischen Hochschule Darmstadt lehrte, moderierte die folgende sehr lebhafte Diskussion. Willi Wagner, von der Initiative „Hiergeblieben“ in Kranichstein, zeigte an Hand eines konkreten Beispiels vor Ort, wie die Gemeindepflege hilft, auch Kosten zu sparen: durch Vorortberatung und dem Einsatz von Ehrenamtlichen aus der Nachbarschaft und dem Quartier konnte bei einem stark beeinträchtigtem älteren Ehepaar die Heimeinweisung um einige Jahre hinaus geschoben werden und ersparte durch die Aufrechterhaltung der Wohnfähigkeit der Stadt Darmstadt nach einer Modellrechnung ca. 70.000 € im Jahr. Insgesamt zahlt die Stadt Darmstadt für die Hilfe zur Pflege nach SGB XII bei Aufnahme pflegebedürftiger Menscheng in stationären Einrichtungen aktuell 8,3 Mill. pro Jahr.
In einigen Diskussionsbeiträgen wurde betont, wie wichtig für die Gemeindepflege die Einbeziehung des ehrenamtlichen Engagements ist, die eine dauerhafte Absicherung in dem sozialen Umfeld ermöglicht. Als abschließendes Fazit der Veranstaltung wurde festgehalten, dass es breit angelegter und öffentlicher Aktivitäten bedarf, um die vorhandenen Strukturen der Gemeindepflege abzusichern und auszubauen. Das „Bündnis Pflege“ bereitet zu diesem Thema eine Fachtagung am 4.4.2025 vor, zu der neben ausgewiesenen Fachreferent*innen auch verantwortliche Politiker*innen eingeladen werden.