Alnatura: außen hui – innen pfui

Sinnvoll für Mensch und Erde?

„Unseren Leitgedanken 'Sinnvoll für Mensch und Erde'
möchten wir auch auf dem Alnatura Campus, unserem
neuen Unternehmenssitz, der derzeit in Darmstadt entsteht,
Gestalt werden lassen.“

(aus der aktuellen Homepage von Alnatura)

 

Mit „Alnatura Campus“ ist die neue Zentrale in Darmstadt gemeint, 15 Kilometer nördlich von Bickenbach, dem alten Stammsitz von Alnatura.  Für einen nicht gerade hohen Preis von 85 € pro Quadratmeter erwarb das Unternehmen ein Gelände der Kelly Baracks und will auf dem neuen Campus etwa 500 Mitarbeiter beschäftigen. Für Oberbürgermeister Partsch ist es ein großer Erfolg, dass ein „Leitunternehmen der Biobranche“ nach Darmstadt kommt. In der Stadtverordnetenversammlung wurde die Ansiedlung jedoch kontrovers diskutiert. SPD und Linke wiesen auf ein mitbestimmungs- und gewerkschaftsfeindliches Klima bei Alnatura hin, das gar nicht zu den Unternehmensleitsätzen der Stadtwirtschaft passt.

"Wir betreiben eine wirtschaftliche Willkommenskultur"

Die Vertreter der schwarz-grünen Koalitionen waren empört über solch eine Kritik. "Wir betreiben eine wirtschaftliche Willkommenskultur", verstieg sich Karin Wolff von der CDU. Nun ja, ein erfolgreicher Öko-Kapitalist hat wohl doch nicht so viel gemein mit einem syrischen Flüchtling.

Nach außen hin steht Alnatura gut da. Im Jahr 2015 betrug der Umsatz 760 Mio. €, in 98 Filialen arbeiteten 2.530 Mitarbeiter. Viele Kunden sehen die Bio-Supermarktkette als menschen- und umweltfreundlich an und zahlen  für biologisch und sozial produzierte Waren auch einen höheren Preis. Aber beim Blick nach innen tun sich Abgründe auf – schlimme Händel statt fairer Handel und Ökokapitalismus pur.

In den rund 100 Filialen existiert lediglich ein Betriebsrat, Tarifverträge mit der zuständigen Gewerkschaft ver.di werden abgelehnt. Ende November dieses Jahres kam es ganz dick für Alnatura: in einem überregional sehr beachteten Prozess verdonnerte das Landesarbeitsgericht Bremen den Öko-Markt zur Durchführung einer Betriebsratswahl und setzte einen Wahlvorstand ein.

Ein Lehrstück in Union-Busting

Für das Alnatura-Management ist die Sache klar: Wir sind so ein tolles Unternehmen, unsere Mitarbeiter wollen keinen Betriebsrat und deshalb lassen wir die Gewerkschaft nicht rein. Die Gewerkschaft ver.di macht mit dem Alnatura-Management ganz andere Erfahrungen. Seit dem Herbst 2015 setzen sich Beschäftigte einer Bremer Filiale für die Gründung eines Betriebsrates ein und begannen mit der Einberufung einer Versammlung zur Wahl eines Betriebsrats . Dieses Vorhaben wurde sogleich von der Bremer Betriebsleitung torpediert. Bei Alnatura gelten die Filialleiter nicht als leitende Mitarbeiter und diese wurden nun vorgeschickt.  Die betrieblich aktiven Mitarbeiterinnen hatten für die Wahl alles vorbereitet. Die Wählerlisten waren fertig und die drei erforderlichen Kandidaten für den Wahlvorstand standen bereit. Nun meldeten sich drei Filialleiter, die eigentlich gegen die Betriebsratswahlen waren, zusätzlich für den Wahlvorstand. Und mit dieser unverfrorenen Strategie kamen sie durch. Eine einzige Stimme fehlte, dass die Kandidaten für den Wahlvorstand die erforderliche Mehrheit erreichten. 

Ver.di berichtet, dass die Leitungsebene bereits vor dem Wahltermin  aktiv wurde. So seien Beschäftigte  zu Einzelgesprächen geladen worden, um ihnen die "Nachteile" eines Betriebsrats zu erläutern. Da die Betriebsratsarbeit schließlich in der Arbeitszeit stattfände, würden diese Kollegen dann im Laden fehlen und alle anderen müssten deshalb mehr arbeiten.

Landesarbeitsgericht Bremen setzt Wahlvorstand ein

Nach dieser turbulenten Betriebsversammlung  riefen fünf Beschäftigte das Arbeitsgericht an, um einen Wahlvorstand von dem Gericht einsetzen zu lassen. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sind in einem solchen Fall eindeutig und das Arbeitsgericht setzte per beschluss einen Wahlvorstand ein. Doch auch der Spruch des Arbeitsgerichts und zuletzt des Landesarbeitsgerichts brachte die Leitung von Alnatura nicht zum Einlenken. Sie legte Beschwerde ein beim Bundesarbeitsgericht und ließ durch ihre Pressesprecherin erklären, sie wollten ja keine Wahl des Betriebsrats verhindern, sondern sie wolle nur deshalb keine Wahlen, weil die Mehrheit der Beschäftigten dagegen sei.

Hinter diesem Vorgehen der Alnatura-Führung steht  die reale Befürchtung der Öko-Chefs, dass mit einem zweiten Betriebsrat bei Alnatura (zur Zeit besteht ein Betriebsrat in Freiburg) die Gründung eine Gesamt-Betriebsrates möglich ist, der dann für das Gesamt-Unternehmen zuständig ist. Für eine mitbestimmungsfeindliche Unternehmensführung natürlich eine der größten Bedrohungen.

Fair Trade heißt auch fairer Umgang mit seinen eigenen Beschäftigten

Alnatura kamen die Presseberichte um die Betriebsratswahlen äußerst ungelegen und versuchte den Konflikt in Bremen aus der überregionalen Presse herauszuhalten und sich weiter als mitarbeiterfreundlich darzustellen. Das ging gründlich daneben. Die Kundschaft von Alnatura zahlt bewusst mehr für fair gehandelte Produkte. Wenn dann die Unternehmensführung ihre eigenen MitarbeiterInnen rechtlos halten will, passt das natürlich schlecht in die öffentlich verkaufte Firmenphilosophie eines ökologisch und sozial verantwortungsbewussten Unternehmens.

Bremen ist kein Einzelfall. Nach Auskunft von ver.di Südhessen gab es vor einigen Jahren auch in der Filiale in Alsbach-Hähnlein  den Versuch, einen Betriebsrat zu wählen. Vorgesetzte argumentierten auf einer Betriebsversammlung so vehement gegen die Wahl eines Betriebsrates, dass niemand mehr bereit war in den Wahlvorstand zu gehen.

Vertreter der Gewerkschaft ver.di in Bremen berichteten, dass sie oft von KundInnen angesprochen wurden, wie sie denn die Wahl eines Betriebsrats unterstützen können. Auch bei Schlecker begann die gewerkschaftliche Organisierung und die Wahl der Betriebsräte ähnlich und erfuhr ebenfalls eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit. Es ist nur zu hoffen, dass Alnatura nicht denselben Weg wie Schlecker einschlägt.

Noch ein Nachtrag zur „Willkommenskultur“: Wenn die Alnatura-Zentrale im nächsten Jahr eröffnet wird, könnte unsere schwarz-grüne Stadtregierung und der Oberbürgermeister den – bis dahin hoffentlich gewählten – Gesamtbetriebsrat von Alnatura „willkommen“ heißen.

Erhard Schleitzer
02.12.2016