HEAG: Zwei Wochen Streik gegen Niedriglöhne

Hintergründe zum Streik bei den Busunternehmen

Der Streik bei den Busunternehmen fand in den hessischen Regionalzeitungen ein breites Echo. Wurde anfangs durchaus noch Verständnis für die Forderungen der BusfahrerInnen und sogar für das Mittel des Streiks gezeigt, so ließ dieses Verständnis mit der Fortdauer des Streiks deutlich nach.  So schrieb das Darmstädter Echo noch am 10.1.2017, die zwölf Euro Stundenlohn seien „ein magerer Lohn für eine hohe Verantwortung“ und die Busstreiks seien „berechtigt“. Schon zwei Tage später aber hieß es. „Genug gestreikt!“ und am 14.1. hieß es ganz dramatisch „Stadt in Geiselhaft“. Jetzt wurde vornehmlich über die Nöte der SchülerInnen, älteren Menschen und sozial Schwachen berichtet, die sich kein Auto leisten können. Menschen mit wenig Einkommen sollen so gegen andere Geringverdienende aufgebracht werden, die für höhere Einkommen streiken.

Europaweite Ausschreibung:  Lohndrückerei und Privatisierung

Aber auch wenn über den nicht angemessenen Stundenlohn berichtet wurde, wurde kaum auf die Ursachen dieser Entwicklung eingegangen Die Lohndrückerei im Nahverkehr ist wie in anderen Bereichen durchaus politisch gewollt. In Hessen gilt seit 2004 für die Kommunen der Vorrang der europaweiten Ausschreibung den bei der Vergabe von Linien des Nahverkehrs. Damit soll die Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern gefördert werden. Natürlich erhält das Unternehmen den Zuschlag, das seine Leistungen am günstigsten anbietet. So können Unternehmen beauftragt werden, die mit den örtlichen und regionalen Gegebenheiten überhaupt nicht vertraut sind. Dann müssen Fahrerinnen schon mal die Passagiere nach dem Weg fragen. Eine Direktvergabe wie sie in Darmstadt praktiziert wird, ist nur noch als Ausnahme gedacht und an strenge Regeln gebunden. So müssen die Kosten des beauftragten Unternehmens dann mit denen eines „durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens“ vergleichbar sein.

Es entstand also ein europaweiter Konkurrenzkampf, der mit den Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes nicht zu bestehen war. Es begann die Tarifflucht. Vor allem die kommunalen Verkehrsbetriebe waren nicht mehr konkurrenzfähig. Es kam die Zeit der Ausgründungen. So wurde der Nahverkehr der HEAG in die Tochtergesellschaft HEAG mobilo ausgegliedert und diese wiederum in die HEAG mobibus und HEAG mobitram aufgeteilt.  Die HEAG mobibus entstand durch die Übernahme des ehemaligen Unternehmen Glück&Seitz und gehört dem Arbeitgeberverband  „Landesverband Hessischer Omnisbusunternehmer“ (LHO) an. Hier werden alle neu angestellten BusfahrerInnen der HEAG beschäftigt. Die Bezahlung in diesem Tarifvertrag ist wesentlich schlechter als der zuvor geltende des Öffentlichen Dienstes. Der Unterschied kann bis bis zu 50 Prozent betragen.

Es handelt sich bei der heutigen Ausschreibungspflicht also um einen politisch gewollten Angriff auf die Arbeitsbedingungen des Buspersonals. Gleichzeitig bekamen Privatunternehmen umfangreiche Möglichkeiten, Buslinien zu übernehmen. Für sie ist der Öffentliche Nahverkehr aber kein Bestandteil der Daseinsvorsorge, sondern Mittel der Kapitalvermehrung. Und das geht nicht nur zu Lasten der Beschäftigten, sondern auch der Fahrgäste, die mit einem schlechten Service leben müssen.

Ver.di erwartet weitere Zwangsprivatisierungen durch Änderung im Personenförderungsgesetz

In den nächsten Jahren wird die Privatisierung des Öffentlichen Nahverkehrs aber wohl noch weiter voranschreiten. Hintergrund ist eine Änderung im Personenbeförderungsgesetzes, das die CDU/FDP Bundesregierung 2013 noch kurz vor ihrem Ende verabschiedet hatte: Ein Unternehmen kann sich seither den Zuschlag für die Verkehrsdienstleistung sichern, wenn es ohne Subventionen der Kommunen auskommt.  Dies können die Unternehmen aber nur durchsetzen, wenn sie die Löhne noch weiter drücken und die Arbeitsbedingungen noch weiter verschlechtern. In Pforzheim wurde diese Regelung jetzt erstmals angewandt. Zweihundert Beschäftigte des kommunalen Verkehrsbetriebs haben ihren Arbeitsplatz verloren. Das nun beauftragte Unternehmen zahlt dreihundert bis vierhundert Euro weniger.

Nach Informationen von ver.di gibt es in einem Großteil der Konzessionen in den nächsten Jahren neue Ausschreibungen. "Das betrifft 130.000 Beschäftigte in kommunalen Nahverkehrsunternehmen." Hier seien aufgrund der neuen Vorschrift weitere Privatisierungen zu erwarten.

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Einen guten Eindruck von den Arbeitsbedingungen der BusfahrerInnen und der Stimmung während des Streiks bietet ein Artikel von Andreas Schulz auf der Homegage der Linksfraktion im Darmstädter Stadtparlament: Hurensohn? Das höre ich fünfmal am Tag!

Reinhard Raika
20.01.2017
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