HEAG-Mobilo: Erfolgreicher Streik im schwierigen Umfeld

Mit Solidarität gegen Spaltungsversuche und negative Presse

Zwei Wochen dauerte der Streik der BusfahrerInnen in  Hessen. Da die Fronten verhärtet waren und die Arbeitgeber für die Gewerkschaften kein verhandlungsfähiges Angebot vorlegten, riefen beide Seiten die Schlichtung an.

Der Spruch der Schlichter sieht vor, die Stundenlöhne der BusfahrerInnen von 12,00 € ab 1.2.2017 auf 12,50 €, ab 1.1.2018 auf 13 € und ab 1.12.2018 auf 13,50 € zu erhöhen. Kurzpausen mit weniger als 10 Minuten werden zukünftig bezahlt. Neben weiteren Verbesserungen zur höchst zulässigen  Anrechnung von Pausen auf die Arbeitszeit, wurde der Einstieg in eine betriebliche Altersversorgung ab dem 1.12.2018 geregelt und die Ausbildungsvergütungen erhöht. Der Wermutstropfen für die Gewerkschaft ist die Vereinbarung eines verbindlichen Schlichtungsverfahrens nach Auslaufen des Tarifvertrags.

Das Schlichtungsergebnis nahmen die Gewerkschaftsmitglieder mit 62% Ja-Stimmen an, in Darmstadt sollen fast alle mit Ja gestimmt haben.

Nach einem zweiwöchigen Streik sind sich die ver.di-Vertrauensleute bei HEAG-Mobilo einig: der Streik war ein voller Erfolg, obwohl die Ausgangsbedingungen alles andere als einfach waren. Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel führen bei der Bevölkerung natürlicherweise zu Einschränkungen in der Mobilität und die örtliche Presse stellt bei der Berichterstattung regelmäßig deren Klagen in den Vordergrund. Das Besondere bei dem Streik der BusfahrerInnen in Darmstadt war, dass neben den 250 BusfahrerInnen auch die 120 StraßenbahnfahrerInnen zu einem Solidaritätsstreik aufgerufen waren und damit der komplette öffentliche Verkehr in Darmstadt über 2 Wochen lahmgelegt wurde.

Die Geschäftsführung versuchte die Spaltung von Straßenbahn- und Busfahrern

Der Solidaritätsstreik der StraßenbahnfahrerInnen war rechtlich möglich und wurde von der großen Mehrheit der StraßenbahnfahrerInnen auch aktiv unterstützt. Zu Beginn des Busfahrerstreiks standen die Tarifverhandlungen für die StraßenbahnfahrerInnen kurz vor dem Abschluss. Die Gewerkschaft ver.di hatte mit den Arbeitgebern vereinbart, dass bis Abschluss des gültigen Tarifvertrages nicht über den Stand der Verhandlungen berichtet wird. Als der gemeinsame Streik der Bus- und StraßenbahnfahrerInnen Wirkung zeigte, brachen die Arbeitgeber diese Absprache und informierten in einem Brief alle Beschäftigten über den erzielten Verhandlungsstand. Dahinter steckte klar das Kalkül der Geschäftsführung, die Streikfront zu spalten und den Straßenbahnern zu zeigen: Hallo diese Tariferhöhung habt ihr schon, ihr braucht euch doch gar nicht mehr an dem Solidaritätsstreik zu beteiligen. Doch der gemeinsame Streik von Bus- und StraßenbahnfahrerInnen ging  weiter.

Die Geschäftsführung stellte den Fahrbetrieb ein und vollzog somit eine „kalte Aussperrung“ der StraßenbahnfahrerInnen und zahlte ihnen kein Geld mehr. Straßenbahner, die nicht in der Gewerkschaft waren, erhielten somit weder Streikgeld noch Lohn. Das Darmstädter Echo heizte in einem Artikel die Stimmung an und stellte besonders die finanziellen Verluste der FahrerInnen heraus, die nicht Mitglied der Gewerkschaft waren und keine Streikgelder erhielten. Der Artikel las sich wie eine Berichterstattung von der „Streikbrecherfront“ und hatte wohl den Zweck, einen Keil zwischen die Bus- und die „arbeitswilligen“ StraßenbahnfahrerInnen zu treiben.

Unterstützung in der Bevölkerung

Die Veröffentlichung der Zwischenergebnisse der Verhandlungen mit den Starßenbahnern und das absprachenwidrige Vorehen der Geschäftsführung  heizte natürlich die Stimmung bei den streikenden GewerkschaftskollegInnen an. Ein Notfahrplan wurde rundweg abgelehnt und die Ausfahrt der wenigen arbeitswilligen StraßenbahnfahrerInnen blockiert. Der Streik wurde ungebrochen fortgeführt und die Streikenden erfuhren, anders als bei früheren Streiks, Solidarität von der Bevölkerung und auch von vorbeifahrenden Autofahrern, die für warme Getränke spendeten. Die 12 Euro Stundenlohn für einen Busfahrer, das hielten doch weite Teile der Bevölkerung für einen unverschämt niedrigen Lohn.

Keine Unterstützung von den Parteien, außer …

von den Linken. Andere Parteien zeigten sich nicht bei den Streikenden oder sandten keine Unterstützungserklärungen. Auch die Industriegewerkschaften waren in ihren Solidaritätsbekundungen leider sehr zurückhaltend.

Oberbürgermeister Partsch fiel bei den Streikenden unangenehm auf. Zuerst, dass er sich überhaupt nicht meldete, und dann, dass er die Streikenden drängte, zu dem Heimspiel des SV Darmstadt 98 die Straßenbahnen fahren zu lassen. Unter den Streikenden waren auch viele Lilienfans und die meinten, „wir können auch laufen“. So kam es auch, und die Fußballfans ließen sich nicht gegen den Streik aufbringen.

Die AfD schoss wieder den Vogel ab: Im Bau- und Verkehrsausschuss stellte ihr Vertreter Sigmund die Frage, ob nicht Beschäftigte aus der Stadtverwaltung oder Beschäftigte des EAD als Streikbrecher für Notfahrpläne eingesetzt werden können. Der OB solle ein „Machtwort sprechen“ und den Streik beenden, der Soli-Streik der Straßenbahnfahrer sei sowieso illegal. Der Oberbürgermeister verwies die AfD kurz und knapp auf das Grundgesetz und das rechtlich garantierte Streikrecht.

Der Streik stärkte die Solidarität untereinander

Als die Bus- und StraßenbahnfahrerInnen Ende Januar wieder ihre Arbeit aufnahmen, bekamen sie überwiegend positive Rückmeldungen von den Fahrgästen. Es gab keine Anpöbeleien von den Fahrgästen wegen des Streiks. Es herrschte eher eine frohe Stimmung vor und die Erleichterung, die gewöhnten Verkehrsmittel wieder benutzen zu können.

Von den BusfahrerInnen sind nun 95 % in der Gewerkschaft ver.di organisiert. Auch bei den StraßenbahnfahrerInnen sind es weit über die Hälfte. Die Straßenbahner haben letztlich auch von dem Streik profitiert. Ihre Lohnerhöhung fällt nun höher aus, als die Geschäftsführung mit dem vorläufigen Verhandlungsergebnis veröffentlicht hatte.

Und die Gehaltseinbußen der nicht-organisierten FahrerInnen? „Die haben sie doch längst raus“, meinte ein Gewerkschaftskollege. Sie hätten über Jahre oder gar Jahrzehnte den Gewerkschaftsbeitrag gespart und jede erkämpfte Lohnerhöhung, wie nun die aktuelle, wie selbstverständlich mitgenommen.

Kommt die HEAG-Mobilo nun finanziell in die Bredouille? Anscheinend nicht, denn sonst würde sie den AT (außer Tarif) - Angestellten, die sich nicht am Streik beteiligt haben, nicht  die Lohnerhöhung auf die über Tarif liegenden Gehälter noch oben drauf zahlen.

 

zum Thema bereits erschienen:

HEAG: Zwei Wochen Streik gegen Niedriglöhne
Hintergründe zum Streik bei den Busunternehmen
 

Erhard Schleitzer
14.02.2017