„Mehr Polizei“, „schärfere Gesetze“, „mehr Überwachung“

Rituale nach Gewalt beim Schlossgrabenfest

Eigentlich ist es die AfD, die sich als die Partei von „Recht und Gesetz“ profilieren will. Und die etablierten Parteien oder Teile davon springen dann hinterher, wollen nicht den Anschluss verpassen an die von ihnen abwandernde Wählerschaft.

Im Fall der Ereignisse im Herrngarten am Rande des Schlossgrabenfestes war es jedoch anders. Die AfD hielt sich hier auffallend zurück. Nachdem die Polizei bekannt gab, die Mehrheit der Verhafteten seien Deutsche und sie auch keinen politischen Hintergrund feststellen konnte, war das Thema für die AfD erledigt. Auf ihrer facebook-Seite bedankte sich die Stadtverordnetenfraktion der AfD bei der Polizei, verlinkte zu einigen Artikeln des „Darmstädter Echos“ und ließ es dabei bewenden. Stimmungsmache in ihrem Sinne ließ sich mit diesem Fall nicht machen.

Aber nun glaubten wohl Politiker anderer Parteien, die von der AfD hinterlassene Lücke ausfüllen zu müssen. Ihre Äußerungen waren nichts als leere Rituale. Die Angriffe auf die Polizei waren da nicht mehr die Taten von alkoholisierten, emotional aufgeladenen Jugendlichen, sondern „auch ein Angriff gegen unseren Rechtsstaat und unsere Gesellschaft“ (Innenminister Beuth) oder gar „gegen uns alle“ (OB JochenPartsch).

Die Berichte der Polizei wurden nicht in Frage gestellt. Kontakt mit den eingekesselten, verhafteten und von Hunden gebissenen Menschen wurde natürlich nicht aufgenommen. Inwieweit die Polizei durch aggressives Verhalten zur Eskalation beigetragen hatte, wurde nicht hinterfragt. Ob es unter den Verhafteten auch Unbeteiligte gab, war kein Thema. Auch nachdem Zeugen einen anderen, vom Polizeibericht abweichenden, Hergang der Ereignisse schilderten, gab es von offizieller Seite keine Anstrengungen zur Aufklärung.(siehe siehsmaso: Randale beim Schloßgrabenfest)

Dieser Haltung entsprachen auch die Forderungen der Landes- und Kommunalpolitiker. Innenminister Beuth (CDU) wiederholte, wie nicht anders zu erwarten, die Forderung nach härteren Strafen. Darmstädter Lokalpolitiker traten für stärkere Videoüberwachung ein (CDU-Fraktionsvorsitzender Roland Desch). Auch Timm Huß wollte da noch eine weitere Verschärfung fordern und plädierte für eine noch stärkere Präsenz der Beamten.

Diese Argumente bewegen sich auf der Linie, die die sicherheitspolitische Debatte seit dem G20.Gipfel in Hamburg vor etwa einem Jahr eingeschlagen hat. Dort war die Strategie der Polizeiführung durch Einkesselung der Demonstration auf Eskalation angelegt, und es war ihr klar, dass dies zu gewaltsamen Reaktionen führen musste. Die Schuld für die Ausschreitungen wurde jedoch von Politik und Medien ganz einseitig den Demonstrierenden zugeschoben. Seit dem gibt es geradezu einen Wettbewerb darum, wer mit seinen Vorschlägen demokratische Rechte am stärksten beschränken will, wer die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten am weitesten ausdehnen will. Das Bayrische Polizeiaufgabengesetz ist in diesem Wettkampf momentan der Spitzenreiter. Polizeiliche Maßnahmen (Beschlagnahme, DNA-Analyse, Online-Überwachung, Verhaftung) sollen nicht erst bei einer konkreten, sondern schon bei einer „drohenden“ Gefahr möglich werden. Das aber ist juristisch ein sehr umstrittener Begriff. Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen wollen hier nachziehen, und auch in Hessen sollen Online-Überwachungen erleichtert werden.

Die Äußerungen vieler Darmstädter Lokalpolitiker bewegen sich in diese Richtung. Gewollt oder ungewollt leisten sie der rechten Law-and order-Propaganda Vorschub. In anderen Ländern(z.B. USA oder Frankreich) ist allerdings zu sehen, dass solche Methoden nicht geeignet sind, das Problem zu lösen. Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Hier aber wird versucht, den Rauch zu bekämpfen ohne das Feuer als Problem zu sehen. Wenn Polizeikräfte, Sanitäter u.a. immer öfter zum Ziel aggressiver Menschen werden, so ist dies durchaus „Ausdruck der Verrohung unserer guten Sitten“, wie Jochen Partsch sagt. Aber woher kommt diese Verrohung? Dagegen noch mehr Polizeipräsenz zu zeigen ist als sollte das Feuer mit Benzin gelöscht werden.

Reinhard Raika
11.06.2018
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