Konjunktursorgen in Südhessen

Widerstand gegen Stellenstreichungen bei Continental Babenhausen

Es war ein ziemlicher Paukenschlag als Continental im September diesen Jahres den Plan für den Abbau von 7.000 Arbeitsplätzen bekannt gab, davon 2.250 in Babenhausen, wo heute noch 3.600 Menschen arbeiten. Auch Entlassungen werden nicht ausgeschlossen. Voraus ging schon im Juli eine Gewinnwarnung. Damit wird deutlich, dass die heraufziehende Wirtschaftskrise auch Südhessen nicht umgeht.

Im Oktober letzten Jahres bezeichnete der Geschäftsführer der IHK Darmstadt Südhessen noch als das „gallische Dorf“, in dem es im Gegensatz zu anderen Regionen keinerlei Anzeichen für eine nachlassende Konjunktur gebe. Er sagte: „Die südhessische Wirtschaft wächst derweil das neunte Jahr in Folge. Die Lage und vor allem die Erwartungen sind bestens (…) „Man profitiere derzeit mehr als andere Regionen von Bestellungen aus dem Ausland, was wiederum die Erwartungen beflügelt“ (DE, 19.10.2018). Im Konjunkturbericht vom Herbst 2019 heißt es dann: Die südhessische Konjunktur hat sich weiter abgekühlt, und beim Blick in die Zukunft kommen mehr Grautöne ins Bild.". Der Gegenwind werde heftiger, besonders bei des Auslandsmärkten.

Doch schon ein Vierteljahr später meldete die IHK, die südhessische Industrie sei verschnupft und dieser Zustand hält an. Auch im Sommer 2019 wird die Lage vor allem für die Industriebetriebe kritischer gesehen: Zwar ist die Lage immer noch besser als in anderen Regionen, doch gehen die Aufträge aus dem In- und Ausland zurück. „Bei den Investitions- und Beschäftigungsplänen ist aber Zurückhaltung angesagt. So überwiegt die Zahl der investitionsmüden Unternehmen gegenüber jenen, die mehr investieren wollen.“ ( Konjunkturbericht IHK Darmstadt Rhein Main Neckar Frühsommer 2019)

Continental produziert in Babenhausen elektronisch gesteuerte Fahrwerk- und Fahrzeugsicherheitssysteme. Begründet wird der Abbau von Arbeitsplätzen mit dem zurückgehenden Absatz in der Automobilindustrie und einer schneller als erwartet voran schreitenden Digitalisierung der Automobiltechnik. Um sich wirtschaftlich gegenüber den Wettbewerbern zu behaupten, sei es nötig, Arbeitsplätze zu verlagern, also in Länder mit niedrigeren Löhnen.

Die Belegschaft wehrt sich

Betriebsrat und IG Metall lehnen den Kahlschlag ab und haben Widerstand angekündigt. Am 24.10. 2019 gab es eine Protestdemonstration gegen die Unternehmenspläne. Mit 2.000 Beteiligten kamen sehr viel mehr Menschen als erwartet. Delegationen von anderen Continental-Standorten drückten ihre Solidarität aus, und auch eine Abordnung von Opel in Rüsselsheim war da. Betriebsratsvorsitzender Roland Weihert sagte, jetzt könne Continental sehen, dass der Stellenabbau in Babenhausen nicht geräuschlos über die Bühne gehe. Er erinnerte daran, dass die Belegschaft in den vergangenen Jahren durch Ergänzungstarifverträge auf Lohnzahlungen in Höhe von 100 Millionen Euro verzichtet habe. Außerdem habe der Betriebsrat Sonn- und Feiertagsarbeit zugestimmt, in der Hoffnung so die Zukunft der Arbeitsplätze zu sichern. Das sei nun der Dank des Unternehmens an die Belegschaft.

Erster Stadtrat Reinhard Rupprecht sprach von einer allgemeinen Erschütterung der Stadt. Als 2007 die US-Armee Babenhausen verlassen hätte, habe es Jahre gedauert, bis die anziehende Konjunktur den Verlust an Kaufkraft einigermaßen wieder wettgemacht hätte: „Jetzt stehen die Zeichen nicht so gut.“

Die Krise der Autoindustrie

Die Schwierigkeiten von Continental und die aus Sicht des Kapitals notwenigen Umstrukturierungen  geschehen vor dem Hintergrund einer allgemeinen Krise der Automobilindustrie. Die Unsicherheiten wegen der US-amerikanischen Zollpolitik und Konjunkturprobleme in China sorgen auch bei anderen Automobilunternehmen für Schwierigkeiten. So werden auch bei Ford in Europa Tausende Stellen gestrichen, VW geht bei der Golfproduktion vom 3-Schicht-System zum 2-Schicht-System über und GM schließt in den USA ganze Werke. Hinzu kommt eine Verunsicherung in der Bevölkerung angesichts falscher Angaben bei Schadstoffen. Dies und andere Faktoren stellen vor allem bei jüngeren Menschen den bisherigen Stellenwert des Autos als Statussymbol in Frage. Die Folge sind Überkapazitäten, die sich noch steigern werden, wenn die Wachstumsschwäche auch in den westlichen Industriestaaten anhält.

Ein einfaches „Weiter so!“ bietet den Beschäftigten keine Perspektive und ist angesichts der mit dem motorisierten Individualverkehr verbundenen Umweltprobleme auch nicht wünschenswert. In den Gewerkschaften ist es daher wichtig, die Diskussion um eine Verkehrs- und Energiewende zu intensivieren. Durch Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und die Schiene können neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Südhessen: Continental ist kein Einzelfall

Dem geplanten Arbeitsplatzabbau bei Continental ging ein rasanter und noch nicht abgeschlossener Kahlschlag bei Opel Rüsselsheim voraus, wo auch für die nächste Zeit ein weiterer Abbau von 600 Arbeitsplätzen in der Produktion geplant ist. Bei Telekom und T-Systems, die in Darmstadt stark vertreten sind, stehen neben dem permanenten Personalabbau von etwa 2.000 Beschäftigten jährlich weitere Programme an, mit denen die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland um etwa 16.000 reduziert wird.

Reinhard Raika
28.10.2019
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