Auch in Darmstadt treffen sich die „Fridays gegen Altersarmut“ (FgA) auf dem Luisenplatz, parallel zu den Demonstrationen von „Fridays for future“. Das sind ca. 20 Leute, die sich als „normale“ Bürger verstehen und ausdrücklich betonen, dass sie „überparteilich“ seien und jeder, egal von welcher Partei, bei ihnen mitmachen könne. Auf den verteilten Flugblättern sind durchaus sympathische Forderungen zu finden, wie „Die sofortige Einführung eines solidarischen Rentensystems, in dem ausnahmslos alle einzahlen müssen“ und „Die Einführung einer Reichensteuer“. Daneben aber auch populistische Forderungen wie „Die Verschwendung von Steuergeldern im Amtsstuben, Behörden und Ministerien ist gesetzlich unter Strafe zu stellen“ und „...die sofortige Abschaffung horrender Pensionen auf Lebenszeit“.
Viele der Anwesenden, etwa 2/3 Frauen, beschweren sich über die eigene niedrige Rente, dass sie zukünftig ihre Wohnung nicht halten können und sich in ihrem Lebensstandard massiv einschränken müssen. Den Gewerkschaften halten die meisten vor, dass „nichts“ oder zu wenig gegen Altersarmut machen. In den Unterhaltungen gibt es auch rechte Töne gegen die Zuwanderung, eine Person stimmt den Sprechchor an, „Merkel muss weg“, die anderen stimmen aber nicht ein.
Bunt mit braun
In der Außendarstellung geben sich die FgA bunt, aber ihr Ursprung und ihre politischen Unterstützer sind tiefbraun. Zu den verschiedenen Gruppen der FgA hat die Frankfurter Rundschau intensiv recherchiert:
“Intensiver sollte man sich hingegen einer weiteren Gruppe widmen, die mit angeblich knapp 280.000 Mitgliedern die prominenteste unter den FgAs zu sein scheint. Hier steht eine Flaschen sammelnde Rentnerin beispielhaft für die in Deutschland grassierende Altersarmut. Die Gruppe hat mehrere Admins, einer davon ist ein gewisser Heinrich Madsen, der gleich dreifach aufgeführt ist: neben Heinrich als Heinz und Heinrich von Graf. (…) Madsen zeigt sich auf einem Bild mit einem sogenannten Thor-Hammer um den Hals, einem mythologischen Symbol, das die extreme Rechte für sich entdeckt hat.“ (14.1.2020)
Die rechtsextreme Partei „Die Rechte“ ruft massiv zur Unterstützung der FgA auf: „Unterstützt die „Fridays gegen Altersarmut“: Am 24. Januar finden über 100 Mahnwachen in ganz Deutschland statt! Es bewegt sich etwas im Volk: Nach monatelanger „Fridays for Future“ – Klimahysterie, hat sich eine Gegenbewegung gebildet, die insbesondere von älteren Menschen getragen wird, welche schon heute die katastrophalen Auswirkungen der deutschen Sozialpolitik spüren.“ (14.1.2020)
Wie umgehen mit den Fridays gegen Altersarmut?
Die Teilnehmer*innen an den Mahnwachen der FgA sind – zumindest in Darmstadt – von Altersarmut bedroht oder schon betroffen. Die meisten von ihnen haben vermutlich erst in der letzten Zeit ihren Rentenbescheid genauer gelesen und sind erschrocken bzw. erstaunt über die niedrige Höhe und die weiteren Sozialabzüge bei der Rente. Klar, dass diese Leute sauer sind und sich dagegen auflehnen. Unter ihnen herrschen aber Vorurteile gegen über Gewerkschaften („die machen nix“) oder auch die Aktivitäten des breiten südhessischen Bündnisses „Gemeinsam gegen Altersarmut von Frauen“ sind nicht bekannt. Man kann zwar den Gewerkschaften vorhalten, dass sie sich 2004 zu wenig gegen die Agenda 2010 gewehrt haben, aber die Aktivitäten des DGB und der Einzelgewerkschaften gegen die Altersarmut und deren Positionierung in Publikationen in den letzten Jahren werden von den Teilnehmer*innen der FgA nicht zu Kenntnis genommen. Das ist nicht nur zu bedauern, sondern schadet auch ihrer Glaubwürdigkeit.
Fazit: Die Altersarmut ist und wird noch weiter in Deutschland ein riesiges Thema sein und birgt großen sozialen Zündstoff. Das Thema ist unbedingt ernst zu nehmen, auch von Menschen, die nicht unmittelbar davon betroffen sind. Die Gewerkschaften, die Sozialverbände und die Parteien, die für soziale Gerechtigkeit eintreten, müssen sich diesem Thema intensiver und lauter annehmen. Gelegenheit dazu bietet die von dem DGB geplante Aktionswoche für eine gerechte Rente vom 26.3.-2.4.2020, für die auch in Darmstadt Aktionen und Veranstaltungen vorgesehen sind. In der gemeinsamen Erklärung des Darmstädter Netzwerks für eine gerechte Rente (Deutscher Gewerkschaftsbund, Sozialverband VdK, Arbeiterwohlfahrt, attac) heißt es:
„Wir brauchen jetzt einen grundlegenden Kurswechsel in der Rentenpolitik. Die Rente muss ein einem reichen Land wie Deutschland für ein gutes Leben reichen, so wie es in mehreren Nachbarländern möglich ist (z.B. Österreich oder Skandinavien).“
Wichtig ist aber, dass es nicht nur bei der einen Aktionswoche bleibt, sondern dass weitere Aktivitäten und Aktionen folgen und den Betroffenen auch offene Treffen angeboten werden, in denen sie sich auch weiter dauerhaft engagieren können.