Darmstädter Ausländerbehörde stark überlastet

Überlange Verfahrensdauer bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen

Ohne Aufenthaltserlaubnis gibt es keine Arbeitserlaubnis

Die ASten der Hochschule Darmstadt und der TU Darmstadt, die auch Beratungsstelle für internationale Studierende sind, berichten in einer Presseerklärung von regelmäßig Anfragen von teilweise verzweifelten Hilfesuchenden, dass sie die Ausländerbehörde weder erreichen können, noch einen Termin zugewiesen bekommen.

„Christy, Mathematik Studentin aus Indien, beschreibt ihre Anstrengungen wie folgt: „Ich versuchte seit mehr als einem Monat meine zuständige Ausländerbehörde zu erreichen, um meinen Aufenthaltstitel zu verlängern oder mindestens eine befristete Fiktionsbescheinigung zu beantragen - leider ohne Erfolg. In den gültigen Sprechzeiten ist per Telefon die Leitung ständig belegt und vor Ort will mich niemand reinlassen. Auch per E-Mail sind sie nicht erreichbar“. Weder telefonisch, noch - wie auf der Webseite der Stadt Darmstadt empfohlen – postalisch oder per E-Mail, ist die Ausländerbehörde seit Monaten ausreichend erreichbar.“ Die Asten berichten von einer anderen Studentin: „Mein Aufenthalt ist seit einem Monat abgelaufen. Das größte Problem ist, dass ich eine gültige Arbeitserlaubnis dringend brauche, damit ich mir mein Studium ohne Sorgen weiter leisten kann … Ich habe eine Zusage für eine studentische Tätigkeit bekommen, aber weil ich bisher keinen gültigen studentischen Aufenthaltstitel habe, konnte ich den Job nicht antreten!”

Da in Deutschland ohne eine Aufenthaltserlaubnis eine Arbeitsgenehmigung nicht erteilt wird, bedeutet das für die Student*innen, dass sie ihre Jobs verlieren und die Sicherung ihres Lebensunterhaltes bedroht ist.

Anfrage im Stadtparlament

Die Stadtverordnetenfraktion der LINKEN stellte bereits vorher eine kleine Anfrage bei der Stadt, wie lange das Verfahren zur Gewährung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dauert, zur Personalsituation in der Ausländerbehörde, zu den unbesetzten Stellen und die Personalfluktuation in der Behörde. Der zuständige Bürgermeister Reißer antwortete erstaunlich schnell und offen. „Derzeit beträgt die geschätzte durchschnittliche Dauer eines Verfahrens bis zur abschließenden möglichen positiven Entscheidung der Erteilung des beantragten elektronischen Aufenthaltstitels o. ä. in etwa bis zu 5 Monate.“ Konkret führt Reißer aus, dass Ende Januar 2021 3.658 Anträge gestellt sind, denen aber eine geringe Arbeitskapazität gegenübersteht (bearbeitete Anträge im November 2020 = 475; Dezember 2020 = 350; Januar 2021 = 286)."  Am 1.1.2020 waren bei der Ausländerbehörde 31 Stellen besetzt, doch haben im Jahr 2020 sechs Mitarbeiter*innen die Ausländerbehörde verlassen.

„Massiver Arbeitsdruck“ in der Ausländerbehörde

Auf die Frage nach den Gründen der hohen Personalfluktuation antwortet Reißer ohne Umschweife: „Die hohe personelle Fluktuation in der Ausländerbehörde besteht seit vielen Jahren und ist hinlänglich bekannt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, jedoch offenkundig. In der Ausländerbehörde herrscht ein massiver Arbeitsdruck, nicht zuletzt aufgrund der enorm komplexen Rechtsmaterie, sondern auch durch die über die vielen Jahre hinweg stückweise aufgebauten Rückstände und der damit verbundenen stetig steigenden Arbeitslast, die es durch die Mitarbeiter/innen zu bewältigen gilt. Durch den in den letzten Jahren hinweg widerfahrenden Verlust vieler langjähriger Kolleginnen/Kollegen hat sich die grundlegende Basis vorhandenen langjährig etablierten Fachwissens kontinuierlich verringert. Vielen neu gewonnenen Kolleginnen/ Kollegen ist der komplexe Rechtsbereich anfangs völlig fremd, was wiederum die Einarbeitung unter täglich herrschendem Zeit/-und Leistungsdruck enorm erschwert und hierdurch durchaus Selbstzweifel und Unsicherheit einhergehen können, das letzten Endes zur Kündigung bzw. zum Wechsel des Tätigkeitsbereiches führt.“

Schlechte Bezahlung und wenig Angebote für Homeoffice

Die Vergütung bei der Stadt Darmstadt und die fehlenden Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice tragen zur Verschärfung der Situation bei. So erklärt Reißer: „Es ist durchaus bekannt, dass sich viele Beschäftigte in benachbarte Landkreise bewerben. Hauptbeweggründe hierfür sind vor allem die höhere Vergütung bei gleich gelagerter Tätigkeit sowie die herrschende Digitalisierung der Arbeitsprozesse (eAkte). Zusätzlich erscheint eine größere Flexibilität in der Ausgestaltung der Arbeitszeit durch das Angebot, die Arbeitsleistung auch mehrtägig von zu Hause (Homeoffice) erbringen zu können, als besonders überzeugend.“ Reißer verspricht, dass zukünftig eine Wartezeit zwischen 4 - 6 Monaten realisiert werden soll. Auch diese Wartezeit ist lang und noch ist ungewiss, ob diese Zielmarke überhaupt erreicht wird.

Für die LINKE sind das „skandalöse Zustände für die Menschen auf beiden Seiten des Schreibtischs“ und sie fordert eine schnellstmögliche Aufstockung der Stellen in der Ausländerbehörde und sie kündigt an, bei den nächsten Haushaltsberatungen eine höhere Eingruppierung der Stellen zu beantragen, entsprechend der Eingruppierung in den benachbarten Landkreisen. Eine relativ schnell umsetzbare Forderung ist schon peinlich für die „Digitalstadt“ Darmstadt: „Als Lösungsansatz fordert die Fraktion den schnellen Ausbau des Online-Zugangs zu den Diensten der Stadtverwaltung, der bei der Ausländerbehörde beginnen sollte. Dies sei wichtiger als beispielsweise die füllstandsabhängige Leerung von Mülltonnen und müsse endlich Vorrang bekommen bei der Umsetzung der ‚Digitalstadt‘.“

 

Erhard Schleitzer
17.02.2021