Bereits letztes Jahr habe ich an unserem Streiktag hier oben gestanden und zu Euch gesprochen. Auch dieses Jahr sind wir wieder in einer Tarifauseinandersetzung; diesmal nicht nur aber auch für unseren Bereich, der immer noch hauptsächlich weiblich ist. Der gesamte Öffentliche Dienst fordert 10,5% mehr Lohn und mindestens 500.- €. Was doch eigentlich für die Aufrechterhaltung der Daseinsfürsorge nicht zu viel sein sollte, denn alles was ich vor einem Jahr gesagt habe, bleibt aktuell.
Zeitenwende?
Die ominöse Zeitenwende ist weiterhin umstritten; das Militär, die Firmen und ihre Aktionär:innen, die mit Kriegsgerät Milliarden Gewinne machen, reiben sich die Hände und wir uns die Augen! Jeden Morgen gehen wir in unsere Kita und sind gespannt, wer von den Kolleg:innen auch gekommen ist. Auf dem Papier – nach Kinderförderungsgesetz und Co - sind die meisten Häuser gut besetzt. Das nützt aber nichts für den Alltag, wenn die Fachkräfte ausfallen. Ausfallen wegen Überarbeitung, Krankheiten, immer noch auch wegen Corona, auch mal Urlaub und und und …
In vielen Häusern arbeiten Menschen, die – wie ich – nur noch ein paar Jahre bis zu Rente haben. Und wer jenseits der 60 ist, ist zwar noch nicht verrostet, aber es läuft auch nicht mehr alles so geschmeidig. Die Lautstärke, die hohe geforderte Flexibilität, das eine oder andere Zipperlein und die Erkenntnis, dass wir nicht mehr wie in jungen Jahren, einfach alles so wegstecken können. Und wenn wir in ein paar Jahren nicht mehr da sind? In der aktuellen Situation möchte ich uns das nicht ausmalen!
Bessere Bedingungen für soziale Berufe
Der Zuzug nach Darmstadt und ab 2026 der beginnende Rechtsanspruch auf Betreuung der Kinderauch nach der Schule, machen es unabdingbar, dass mehr Menschen Berufe im sozialen Bereich ergreifen. Die Politik in Darmstadt hat offensichtlich verstanden, dass der steigende Bedarf an Kitaplätzen nicht auf Kosten der bestehenden Einrichtungen umgesetzt werden darf. Eine der neuen Kitas ist fertig und wäre bereit, Kinder aufzunehmen. NUR – wer soll sie durch ihre Kitazeit pädagogisch begleiten? Es finden sich keine Erzieher:innen, keine Leitungskräfte. Zum Glück werden bisher keine Fachkräfte aus den alten Kitas abgeworben – die Erfahrung mit dieser Form der Belegung neuer Einrichtungen hat gezeigt, dass Unzufriedenheit und daraus entstehende Abwanderung von Fachkräften die Situation für Kitas, Eltern und Kinder nur noch prekärer machen.
Fragt sich nur, wie lange die Politik noch dem berechtigten Druck von Eltern, die einen Krippe- oder Kindergartenplatz suchen, stand halten kann. Unser Appell lautet: so lange, bis neues Personal gefunden wurde! Die Lösungen kann nur heißen: Bedingungen zu schaffen, damit Menschen Lust haben, einen sozialen Beruf zu ergreifen! Der macht nämlich Spaß, er muss nur auch so entlohnt werden, dass wir u.a. unsere steigenden Mieten und steigenden Lebenshaltungskosten selbst bezahlen können und nicht auf eine mitverdienende Partnerin oder einen Partner angewiesen sind.
Die Krisen stecken im System
Das heutige Motto des feministischen Streikbündnisses, dem wir uns mit unserer Streikaktion angeschlossen haben, ist: Die Krisen stecken im System – wer will dem widersprechen? Es sind und bleiben die patriarchalen Grundzüge des weltweiten Systems, das sich u.a. vom Gotteslohn zu unterbezahlten Berufen von Frauen entwickelt hat: dort, wo es um die Sorge für Andere geht, ist Geld Mangelware! Also in der Pflege, im Jugendamt, in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, in den Kitas und und und …
Und in der Regel sind es überall auf der Welt immer noch Frauen, die sich dafür verantwortlich fühlen, dass das normale Leben z.B. in den Familien läuft – egal ob es um die eigenen Kinder oder schon die Eltern geht. Und in sozialen Berufen arbeiten dann ebenfalls mehrheitlich Frauen, die sich auch um die gesellschaftliche Sorgearbeit kümmern. Sie sind es in der Regel, die für Familien- und Erwerbsarbeit zuständig sind.
Wenn der Leiter der Personalabteilung der Stadt Darmstadt in einem facebookbeitrag aufzählt, was der öffentliche Dienst alles zu bieten hat und dann fragt, wo denn die Bewerber:innen bleiben und ob es doch das rein monätere sei, was zählt? Da müssen wir ihm antworten – natürlich ist der schnöde Mammon nicht alles, aber gerade in der aktuellen Situation ist er eben besonders auch für die Menschen im Sozial- und Erziehungsdienst eine extrem wichtige Größe!
Deshalb fordern auch wir in dieser Tarifrunde:
10,5% und mindestens 500.- € mehr, damit auch die unteren (Frauen)Lohngruppen einen Ausgleichfür die steigenden Lebenshaltungskosten erhalten!