Die Diskussion um den antikolonialen Weihnachtsmarkt der Michaelisgemeinde nimmt immer größere Ausmaße an. „Judenhass auf dem Kirchen-Weihnachtsmarkt“ begann die Bild-Zeitung ihre „Berichterstattung“ am 17.12.2024 und legte am 19.12.2024 nach: „Kripo jagt Judenhasser vom Kirchen-Weihnachtsmarkt“. Das Darmstädter Echo greift die Berichte der Bild-Zeitung auf und auch die überregionale Presse. Der Spiegel titelte am 20.12.2024 „Schlüsselanhänger mit Hamas-Dreieck, Lebkuchenherzen mit antiisraelischen Parolen“. Die Neue Züricher Zeitung folgt am 24.12.24 mit einer so genannten Recherche: “Judenhass, Schwurbler und Esoteriker: Evangelische Gemeinden auf Abwege.Eine Kirche im Bundesland Hessen hat einen antisemitischen Weihnachtsmarkt veranstaltet.“
Im folgenden dokumentieren wir Erklärungen und Offene Briefe zu diesem Thema, die in den letzten Tagen in Darmstadt veröffentlicht wurden. Die Dokumente sind nachstehend dem Artikel als PDF-Datei angehängt.
Offener Brief des Darmstädter Friedensbündnisses
Das Friedensbündnis kritisiert die völlig überzogene mediale und politische Skandalisierung der Präsenz von „Darmstadt4Palestine“ auf dem Weihnachtsmarkt. Die Tabuisierung der Kritik an der israelischen Politik und das Ausgrenzen pro-palästinensischer Sichtweisen führe dazu, Räume für den gesellschaftlichen Dialog zu schließen. Sie kenne den Pfarrer der Gemeinde aus früherer Zusammenarbeit und er sei keinesfalls des Antisemitismus verdächtig,
Antwort des Oberbürgermeister Benz
Er wirft dem Friedensbündnis vor, auf perfide Weise sich zur vermeintlichen Wahrung der Menschenrechte der Palästinenser das Recht heraus zu nehmen, antisemitische Stereotype weiterzuverbreiten. Dies führe zu einer gefährlichen Verharmlosung des Holocausts und der damit verbundenen historischen Leiden der Jüdinnen und Juden. Er weist darauf hin, dass es in einer demokratischen Gesellschaft auch Grenzen der Meinungsfreiheit gibt, insbesondere wenn diese Meinungen diskriminierend, antisemitisch und deren Zurschaustellung teilweise verboten sind.
Brief an das Darmstädter Echo von Hartmut Vincon
Der Autor geht konkret auf die einzelnen Vorwürfe der Verbreitung antisemitischer Symbole und Parolen auf dem Weihnachtsmarkt ein und sieht die im Darmstädter Echo erhobenen Beschuldigungen damit als widerlegt an. Die Lokalredaktion des Darmstädter Echos setze sich der Gefahr des Vorwurfs aus, nicht selbständig recherchiert zu haben, da sie ihre Informationen weitgehend aus Bildzeitung und Honestly Concerned ungeprüft übernommen habe.
Zum Schluss: Anmerkungen zu dem Slogan „From, the river to the sea“
Die Hamas wird – zurecht – für die Parole „From the river to the sea“ kritisiert. Aber:
„Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat mit einer vor der UN-Vollversammlung gezeigten Israel-Karte, die auch die palästinensischen Gebiete miteinschließt, für Kritik gesorgt. Der Leiter der Palästinensischen Mission in Deutschland, Laith Arafeh, schrieb auf X, früher Twitter: "Es gibt keine größere Beleidigung für jedes Grundprinzip der Vereinten Nationen, als zu sehen, wie Netanjahu vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine 'Landkarte Israels' zeigt, die das gesamte Land vom Fluss bis zum Meer umfasst und Palästina und sein Volk negiert". (Zeit-online, 22.09.2023)
„In dem Parteiprogramm des Likud von 1977 wurde das "Recht des jüdischen Volkes auf das Land Israel" als ewig und unbestreitbar bezeichnet. Die Likud-Partei werde "Judäa und Samaria keiner ausländischen Verwaltung übergeben" – damit war das besetzte Westjordanland gemeint.
Und zudem wurde festgehalten: "Zwischen dem Meer und dem Jordan wird es nur israelische Souveränität geben." Dieser Passus blieb in den darauffolgenden Jahrzehnten fester Bestandteil der Programmatik des Likud und seiner Premierminister. Als im Dezember 2022 der langjährige Likud-Parteivorsitzende Benjamin Netanjahu zusammen mit zwei ultraorthodoxen und zwei rechtsextremen Parteien eine neue Regierung bildete, fand die Feststellung in den Koalitionsvertrag erneut Aufnahme: Zwischen dem Meer und dem Fluss werde es nur israelische Souveränität geben.“ (BR vom 14.7.2024)