St. Rochus Krankenhaus in Dieburg soll geschlossen werden

Über 40 KollegInnen sind von der Kündigung bedroht

Das ehemals rein katholische Krankenhaus St. Rochus befindet sich schon seit etwa 2003 in einer finanziellen Schieflage. Es ist ein kleines Krankenhaus mit 87 Betten mit einer Frau­enklinik, Geburtshilfe, Chirurgie, Orthopädie, Innere Medizin und seit 2008 auch mit einer Intensivstation. Noch in katholischer Regie fanden 2014 im großen Stil Entlassungen statt. Das Bistum Mainz erklärte diese als notwendig als ersten Schritt zur Rettung des Hauses. Gleichzeitig wurden dem verbliebenen Personal Gehaltskürzungen aufgedrückt, u. a. wurde das Weihnachtsgeld und die Tariferhöhungen gestrichen. Möglich wurde dies durch das besondere kirchliche Arbeitsrecht: innerkirchliche „Arbeitsrechtliche Kommissionen“ fassen diese Beschlüsse, damit Gewerkschaften und (Sanierungs-)Tarifverträge außen vor gehalten werden. Die Lohnabsenkung beschloss diese Kirchenkommission als eine so genannte Notlagenreglung und verband damit eine Regelung zum Kündigungsschutz. So hieß es jedenfalls vor zwei Jahren.

Anfang 2015 erwarb das Klinikum Darmstadt 90 % der Geschäftsanteile des St. Rochus-Krankenhauses, zusammen mit ebenfalls 90% Anteilen am Marienhospital in Darmstadt.10 % der Anteile verbleiben bei der Kirche. In einer Magistratsvorlage vom 21.1. 2015 heißt es dazu: „Im Rahmen des Erwerbs wer­den keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation beider Krankenhäuser sind aber im Personalbereich Einsparungen vorgesehen.“

Keine betriebsbedingten Kündigungen? - das „Versprechen“ der Stadt Darmstadt

Die KüchenmitarbeiterInnen des St. Rochus-Krankenhauses wurden Anfang Juli 2015 in die  SSG Starkenburg Service GmbH eingegliedert, die als privater Servicebetrieb mit we­sentlich schlechterer Bezahlung „preiswertere“ Dienstleistungen anbietet. Die SSG ist     eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Krankenhaus Dienstleistungsgesellschaft Südhessen mbH, die wiederum eine hundertprozentige Tochter des Klinikums Darmstadt ist. Natürlich gingen diese MitarbeiterInnen nicht freiwillig in die neue Servicegesellschaft. Ver.di KollegInnen berichten von einem „enormen psychischen Druck“ auf die Mitarbeite­rInnen. Die Servicegesellschaft suchte sich aber nur das „erwünschte“ Fachpersonal aus, das „unerwünschte“ Küchenpersonal wurde mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freige­stellt.

Zum 1.1. 2016 wurde die „Insolvenz in Eigenregie“ eröffnet. Das gibt den Gesellschaftern die Möglichkeit, den in den Notlagenregelungen getroffenen Kündigungsschutz nicht anwenden zu müssen. So konnten das Reinigungspersonal und das restliche Küchenpersonal gekündigt werden. Diese MitarbeiterInnen haben somit mit der kirchlichen Notlagenregelung erst massive Lohnkürzungen hinnehmen müssen, mit dem Versprechen den Betrieb zu erhalten, und wurden dann am Ende doch  gekündigt – und erhalten dazu noch geringeres Arbeitslosengeld wegen der abgesenkten Berechnungsgrundlage.

Auch für das verbliebene Personal kann die Insolvenz massive Auswirkungen haben. Um das Krankenhaus trotz Personalabbau am Laufen zu halten, haben die MitarbeiterInnen riesige Überstundenberge aufgehäuft. Im Insolvenzverfahren ist die Auszahlung dieser Überstunden alles andere als gesichert. Für die MitarbeiterInnen und ihr Engagement gibt es dann vielleicht noch ein „Vergelt's Gott“.

Nach einer Presseerklärung von ver.di vom Mai 2016 sind bisher 42 KollegInnen des St. Rochus-Krankenhauses gekündigt worden und können nun für einige Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Lediglich 33 MitarbeiterInnen haben ein Weiterbeschäfti­gungsangebot vom Klinikum Darmstadt erhalten. „Zusammen mit den bereits Anfang des Jahres ge­kündigten 17 MitarbeiterInnen der Hauswirtschaft ist doch fast die Hälfte der Belegschaft mit Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen“, so Armin Löw, der zuständige Gewerkschaftsse­kretär von ver.di.

Der Landtagsabgeordnete der CDU Manfred Pentz aus Groß-Zimmern äußerte laut Darm­städter Echo vom 8.6.2016 den Verdacht,  dass Sozialbeiträge in Millionenhöhe durch die alte Geschäftsführung des St. Rochus-Krankenhauses unterschlagen sein könnten. Der Abschluss von nicht zulässigen Verträgen, die Mitarbeiter in eine Scheinselbständigkeit geführt haben, seien juristisch zu prüfen. Eine Reaktion des Bistums Mainz und des Klinikums zu diesen Vorwürfen steht bisher aus.

Für die Katholische Kirche machte der Magistrat in seinem Beschluss im Januar 2015 Zu­sagen: “Das katholische Werteprofil wird bei beiden Häusern erhalten bleiben“. Welche Werte zeichnen sich bei einem solchen Umgang mit den MitarbeiterInnen ab?

Die Fraktion der Linken stellte in der Stadtverordnetenversammlung Darmstadt am 14.6.2016 den Antrag, dass die Stadt Darmstadt ihrem sozialen Anspruch nachkommt und alle Pflegekräfte aus dem St. Rochus-Krankenhaus im Klinikum Darmstadt weiterbeschäftigt. Allen nicht- medizinischen Angestellten soll ein Arbeitsplatz in der Stadtverwaltung oder in einem der Betriebe des Stadtkonzerns angeboten werden, der insgesamt 8000 Menschen beschäftigt. Aus Zeitgründen konnte dieser Antrag nicht behandelt werden. Die Beratung wurde verschoben auf die Sitzung am 7.7.2016.

Erhard Schleitzer
16.06.2016