"Gegen rechts" war gestern

Diskussion im Kreistag Darmstadt-Dieburg über das Bündnis "Bunt ohne braun"

Im Landkreis Darmstadt besteht seit 2012 das Bündnis „Bunt ohne Braun“. Das Bündnis entstand unter dem Eindruck der NSU-Morde nach einem einstimmigern Beschluss des Kreistages am 24.9.2012:

Der Kreistag fordert den Kreisausschuss auf, folgende Vorschläge umzusetzen: Verwaltungsinterne Bündelung aller Zuständigkeiten mit Beauftragung einer/eines Verantwortlichen zur Koordination von Aktionen und Präventionsmaßnahmen bei rechtsextremistischen Vorkommnissen “.  Der Kreisausschuss  benannte daraufhin die Kreisvolkshochschule als Koordinator, um die Gründung eines Bündnisses zu initieren.  „Bunt ohne Braun“ begann in der Folgezeit als breites Bündnis von Parteien, Verbänden, Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften und viele Privatpersonen zu arbeiten. Die Arbeit des Bündnisses nahm mit Erstarken der AfD frische Fahrt auf. Als am 2.5.2016 sich der Darmstadt-Dieburger Kreistag konstituierte, veranstalte das Bündnis eine Protestaktion und entfaltete im Sitzungssaal ein Transparent „AfD not welcome – Wir stehen auf gegen Rassismus“.

Nun trat die AfD auf den Plan. Sie stellte im Kreistag den Antrag,  der Kreistag solle die Zusammenarbeit mit dem Bündnis Bunt ohne Braun beenden. Dem Bündnis wird in der Begründung vorgeworfen, einseitig die AfD zu bekämpfen. So habe das Bündnis den Sitzungssaal des Kreistages „gestürmt“ und die AfD als rassistisch beschimpft. Da die öffentliche Verwaltung zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet sei, sei die Zusammenarbeit mit diesem Bündnis „rechtlich unmöglich“.Dass die AfD in dieser Weise agiert, ist nicht weiter verwunderlich. Verwunderlich ist aber die nur die als „hasenfüßig“ zu bezeichnende Reaktion der übrigen Parteien im Kreistag. Sie stimmten einem Antrag der Freien Wähler / Piraten zu, der indirekt die alten Vorurteile und Rituale aus dem Kalten Krieg „links=rechts“ aufgreift. Von der SPD , den Grünen und insbesonderen der Linken war man das bisher in diesem Zusammenhang nicht gewohnt. Sie  stellten gemeinsam einen Änderungsantrag, dass der Kreistag zwar nach wie vor das Bündnis „Bunt ohne Braun“ unterstützt, aber nur „mit der Zielrichtung, dass er neben der Bekämpfung des Rechtsextremismus auch die Abwehr aller extremistischer und demokratiefeindlicher Aktivitäten in sein Präventions- und Bildungsprogramm aufnimmt.“ Noch weiter ging der Antrag von Freien Wählern/ Piraten, „dies erfolgt unter der Maßgabe, dass der Verein zukünftig die engen Grenzen von Recht und Ordnung einhält. Der Kreistag missbilligt ausdrücklich insbesondere die Störung der Kreistagssitzung am 2. Mai 2016“. Dieser letzte Antrag wurde abgelehnt, der erste Antrag aber von allen Parteien einstimmig angenommen (SPD, Grüne,CDU, Linke, FDP, Freie Wähler/Piraten, AfD).  Da selbst die AfD diesem Antrag zustimmen konnte, zog sie ihren eigenen Antrag zurück.

Die AfD kann zufrieden sein. SPD, Grüne, CDU, FDP, Freie Wähler/Piraten aber auch die LINKE müssen sich fragen lassen, wie weit und wie lange sie den Positionen und Phrasen der AfD entgegenkommen. FDP und Freie Wähler mögen die  Bündnisse gegen Rechts schon immer argwöhnisch beurteilt heben, doch das Einknicken von SPD, Grünen und  der Linken ist bedenklich. Ebenso wie der Rücktritt von Friedrich Battenberg, Fraktionsvorsitzender der Grünen, vom Vorstand des Vereins „Bunt ohne Braun“.

Noch bedenklicher ist jedoch die Haltung von CDU und Freien Wählern, die gemeinsam mit der AfD die Aktion des Bündnisses im Kreistag und damit zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts verurteilten.

In eine ähnliche Richtung geht die Berichterstattung des Darmstädter Echos. Reinhard Jörs schreibt im DE vom 1.6.2016 in einem Kommentar: „Ein Teil des Parlaments beauftragt Dritte, einen anderen gewählten Teil zu beobachten, zu stören, ins Abseits zu drängen. Davon überzeugt, der Bevölkerung mit der 'Bekämpfung der Verführer' einen Dienst zu erweisen. So stärkt man nicht die Demokratie, so schafft man höchstens Märtyrer.“ Soll denn nun der Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit  aufgegeben werden, nur weil die Vertreter dieser Ideologien ins Parlament gewählt worden sind?

Das Problem sind nicht nur die rechtspopulistischen und die rechtsradikalen Parteien, sondern die Reaktionen der anderen  Parteien und der Medien, die bei den populistischen Phrasen der AfD teilweise freiwillig das Feld räumen und sich deren Agenda diktieren lassen. Mehr Zivilcourage von jedem ist gefordert. Nach internen Informationen will das Bündnis Bunt ohne Braun mit unveränderter „Zielrichtung“ weiter machen.

Erhard Schleitzer
18.07.2016