Altersarmut – ein brennendes Thema, nur nicht im Sozialbericht Hessen

Altersarmut in Darmstadt

Der Anfang Dezember veröffentlichte Sozialbericht des Landes Hessen stellt fest, dass die Armut in  Hessen in den letzten Jahren beständig anwächst. Von 2005 auf 2015 stieg die Zahl der armen Menschen von 12,7 auf 14,4 %, in den letzten Jahren 2015 auf 2016 deutlich schneller von 14,4 auf 15,1 %. In fast allen Medien wird hervorgehoben, wie alarmierend diese Zahlen für das als reich geltende Land Deutschland sind. 

Was aber in dem Bericht gänzlich fehlt, ist die Darstellung der Altersarmut. Nach den  Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bezogen in Deutschland Ende 2015  536.000 Personen Leistungen zur „Grundsicherung im Alter“. Im Jahr 2003 betrug die Zahl  lediglich 258.000. Das bedeutet einen Anstieg um mehr als das Doppelte in nur 12 Jahren. Die Altersarmut lässt sich hier in konkreten Zahlen ausdrücken: die Grundsicherung beträgt heute im Schnitt 794 Euro. Über eine halbe Million RentnerInnen kommt also nicht mit ihrer Rente aus und muss eine Aufstockung beantragen. Das sind aber nur die amtlichen Zahlen. Viele RentnerInnen scheuen aus Scham den Gang zum Sozialamt und möchten sich nicht als „Aufstocker“ anmelden.

Das Absacken der Rente ist das Ergebnis der Rentenreform vor allem der früheren rot-grünen Koalition. Die Gewerkschaft ver.di hat berechnet, dass ein Rentner, der 40 Jahre lang gearbeitet und im Schnitt 2.500 Euro verdient hat, nach 40 Beitragsjahren im Jahr 2030 lediglich einen Rentenanspruch von 809 Euro haben wird. Es ist vorgezeichnet, dass immer mehr Menschen, die nicht die vollen 40 Jahre in die Rentenkasse einzahlen, im Alter zu Sozialhilfeempfängern werden. Zudem ist heute eine ununterbrochene Erwerbsbiographie  bei vielen schon die Ausnahme. Befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Beschäftigung in Teilzeit und überhaupt schlechte Bezahlung prägen heute das Arbeitsleben vieler junger und auch mittelaltriger Beschäftigter.  

Altersarmut in Darmstadt

Und im „reichen“ Darmstadt? Zuerst fällt auf, dass keine aktuellen Zahlen über Altersarmut vorliegen. Der letzte Erhebung findet sich im "Sozialatlas" der Stadt Darmstadt von 2013  und nimmt  Daten vom 31.12.2011 zu Grundlage. Die extrem ungleiche Verteilung von armen RentnerInnen nach den Stadtteilen sticht in diesem Sozialatlas ins Auge. Betrug die Rate von EmpfängerInnen der Grundsicherung über 65 Jahre an der ansässigen gleichaltrigen Wohnbevölkerung in der Kirchtannensiedlung in Eberstadt 18,46 % und in Kranichstein-Nord 17,5%, so waren es im Paulusviertel mit 0,95% und in der Villenkolonie 0,69%.

Vergleicht man die Zahlen von 2011 mit denen von 2008 (des vorherigen Sozialatlas), so stieg die Zahl der Bezieher von Grundsicherung allein in der Kirchtannensiedlung von 15,1 auf 18,5 %, ein Anstieg von über 22% in nur 2 Jahren. Leider ist wahrscheinlich, dass sich der dramatische Anstieg von Altersarmut in einigen Stadtvierteln Darmstadts weiter fortgesetzt hat. Eine aktuelle Berichterstattung der Stadt Darmstadt über die Entwicklung der Armut und der Altersarmut  ist längst überfällig. Aktuelle Zahlen sind unbedingt notwendig, um die Diskussion über die ansteigende Armut mit verlässlichen Fakten  zu führen und vor allen Dingen, um politische Maßnahmen einzuleiten, die diesen Trend mindestens stoppen oder viel besser: umkehren.

Eine weitere Feststellung verblüfft: Fast 300 Seiten des hessischen Sozialberichtes behandeln die Armut, aber nur vier Seiten den Reichtum – mit der Einschränkung, dass „Spitzenvermögen nicht in dieser Datenbasis enthalten sind“. Noch skandalöser als der wachsende Anteil von Armen in unserer Gesellschaft ist, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. 

ver.di Südhessen
14.12.2017