Mehr Einpendler, mehr Gewerbegebiete und der Klimaschutzplan

Nichts passt zusammen

Darmstadt soll wachsen. Laut Masterplan 2030 + auf 184.000 im Jahr 2035. Und mit der Bevölkerung Darmstadts die ausgewiesenen Gewerbeflächen. Entsprechend dem Masterplan, erstellt 2019, sollten 230 Hektar Ackerfläche im Westen Arheilgens und im Osten Wixhausen untersucht werden, ob sie in Gewerbegebiete umgewandelt werden können. Dieses Vorhaben ist an dem entschiedenen Widerstand der Bevölkerung in Darmstadts Norden gescheitert. 2021 gab die Stadt Darmstadt eine Gewerbeflächenbedarfsanalyse in Auftrag, die den gegenwärtigen und zukünftige Bedarf an Arbeitsstätten ermitteln soll. Die Gutachter werteten die Grundstücksverkäufe für Gewerbeflächen in den letzten 10 Jahren aus und rechneten die gefundene Zahl schlicht auf die Zukunft hoch und ermittelten so in der „fundierten Bedarfsprognose“ einen zusätzlichen Bedarf von 83 Hektar bis 2040 (1). Was das Gutachten nicht erwähnt: der Flächenverbrauch für Gewerbegebiete betraf bisher nur Flächen innerhalb der bebauten Stadt (2).

Mehr Gewerbeflächen für Einpendler nach Darmstadt?

Zum Jahresende 2022 wurden für Darmstadt laut dem Amt für Statistik und Stadtforschung 74.867 Einpendler gezählt. Eine Erhöhung gegenüber dem Vorjahr von 2,2 %, und sogar 4,7 % mehr als 2018. Die Quote der Einpendler stieg von 2021 auf 2022 um 0,4 % auf 69,2 %. Das heißt, dass die Mehrheit der 108.152 Beschäftigten am Arbeitsort Darmstadt einpendelten und deren Anzahl steigend ist. Auch die Zahl der Auspendler aus Darmstadt stieg seit 2018 um 4,4 % auf 31.803 (3). Die Forderung nach mehr Gewerbeflächen für die „Boomstadt Darmstadt“ fördert die Entwicklung, die Zahl der Einpendler zu erhöhen und die Verkehrsströme immer weiter hoch zu treiben. Wie ist das alles vereinbar mit den formulierten Klimaschutzzielen der Grün-Schwarz-Volt-Stadtregierung?

Klimaschutzplan 2035: Reduzierung des Individualverkehrs auf 25 % ???

In Darmstadts Klimaschutzplan 2035 (4) ist ein hehres Ziel formuliert: “Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf 25 % und Erhöhung des Anteils des Umweltverbund auf 75 % des Model Splits (2030).“ (Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger oder Verkehrsmittel (Modi) genannt - Wikipedia). 

„Es gilt weiterhin konsequent die Weichen dafür zu stellen, Fahrten auf den Umweltverbund, also auf Fuß-, Rad- und Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), umzulenken. Wege, die auch zukünftig nur durch motorisierten Individualverkehr (MIV) zurückgelegt werden können, sollten soweit wie möglich reduziert werden und möglichst durch Carsharing-Modelle sowie vor allem durch Fahrzeuge mit klimafreundlichen Antrieben (Elektromobilität) erfolgen.“ Als „Transformationsschritte“ werden u. a. angeführt: „Ausbau und Lückenschluss des Radwegenetzes durch konsequente Umsetzung der Radstrategie (...) Stärkung des Fußverkehrs (…) Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und Erweiterung sowie Verdichtung des Netzes unter Einsatz alternativer Antriebe und eines strategisch sinnvollen Tarifsystems (...) Mobilitätsplanung gemeinsam mit dem Landkreis“ (S. 62 und 63).

Wie soll das Alles zusammengehen: Mehr Arbeitsplätze in Darmstadt durch Ausweisung von mehr Gewerbeflächen, angestrebter Bevölkerungswachstum Darmstadts auf 184.000 im Jahr 2035, stetige Erhöhung der bereits sehr hohen Zahl an Einpendlern, schleppender Ausbau des ÖPNV, zweimalige Preiserhöhung im RMV in 2022, wenig sichtbare Regionalplanung ?

Was getan werden muss

Darmstadt muss sich verabschieden von seinen total überhöhten Wachstumszielen. Gewerbegebiete auf unbebauten Flächen auszuweisen, ist nicht verträglich mit einer angestrebten klimaneutralen Politik. Zügiger Ausbau des ÖPNV - zusammen mit dem Umland - mit einer sozialverträglichen Preisgestaltung ist dringlich angesagt: anfangen mit dem 1 €-Ticket mit dem Ziel eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs.

 

(1) https://www.darmstadt.de/nachrichten/darmstadt-aktuell/news/wissenschaft...

(2) Projektgruppe Arheilgen, Kranichstein, Wixhausen: „Gewerbenflächenbedarf“ der Stadt Darmstadt, Ein bestelltes Gutachten, in www.politnetz-darmstadt.de/node/29741

(3) https://www.darmstadt.de/fileadmin/Bilder-Rubriken/Standort/Statistik_un...

(4) www.darmstadt.de/fileadmin/Bilder-Rubriken/Leben_in_Darmstadt/Klimaschut...

Erhard Schleitzer
11.01.2023
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