Beschäftigte an der TU Darmstadt sind stinksauer und verteilen Zitronen

Unbefristete Arbeitsverträge an den Hochschulen

92 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen unter 45 Jahren (ohne Professor*innen) haben einen befristeten Arbeitsvertrag (Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021). Auch im administrativ-technischen Bereich liegt die Befristungsquote weit über dem Durchschnitt anderer Branchen.

»Wir sind sauer!«

Unter diesem Motto haben Beschäftigte der TU Darmstadt am 14.6. gegen Befristungen protestiert. »Wir sind stinksauer auf die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die es nicht auf die Reihe bekommt, endlich für mehr unbefristete Beschäftigung an den Hochschulen zu sorgen«, erklärte Johannes Reinhard von der Initiative »darmstadtunbefristet«, die auf dem Darmstädter Marktplatz Zitronen verteilte. »Der vom Ministerium vorgelegte Referentenentwurf für ein neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz ändert nichts Wesentliches an den unhaltbaren Zuständen«, kritisierte der Wissenschaftliche Mitarbeiter und Sprecher der ver.di-Vertrauensleute an der TU Darmstadt. »Auch an der TU werden die Daueraufgaben in Forschung und Lehre größtenteils von befristet Beschäftigten ausgeübt. Über 90 Prozent der Wissenschaftlichen Mitarbeiter und fast jeder Fünfte Angestellte in Technik und Verwaltung sind nur auf Zeit angestellt – ein Armutszeugnis.«

Eine Ursache ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das besondere Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen an den Hochschulen vorsieht. Begründet wird dies mit Qualifizierungen. »Die Befristung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die neben ihrem Studienabschluss auch noch einen Doktortitel in der Tasche haben, damit zu begründen, sie müssten sich weiter qualifizieren, ist absurd«, so Gabriel Nyc, der bei ver.di in Hessen für Hochschulen zuständig ist. »Der Bundestag muss bei der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes deutlich nachbessern.« Dafür organisieren Hochschulinitiativen und Gewerkschaften diese Woche bundesweit Aktionen. »Doch auch die Verantwortlichen im Land Hessen und in den Hochschulleitungen müssen ihre Hausaufgaben machen«, betonte der Gewerkschafter auch mit Blick auf die anstehende Landtagswahl. »Das Versprechen, unbefristete Perspektiven zu schaffen, muss schnell und umfassend eingelöst werden.«

Befristete Arbeitsverträge bis zur Rente – ist das rechtlich möglich?

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitnehmer*innen ist grundsätzlich für zwei Jahre möglich. Rechtlich soll dies die Ausnahme sein. In der Wissenschaft gelten jedoch Sondervorschriften, die die Befristung zur Regel machen. Angestellte Wissenschaftler können praktisch bis zur Rente befristet werden. Man muss es sich noch einmal in Erinnerung rufen: Für das deutsche Arbeitsrecht ist das unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis der Normalfall. Alle anderen Vertragsformen, auch die Befristung, ist die gesetzliche Ausnahme! In der Praxis sieht dies jedoch anders aus, ganz besonders in der Wissenschaft.

Im allgemeinen Arbeitsrecht ergibt sich die Möglichkeit der Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), nach dem Befristungen für die Dauer von zwei Jahren möglich sind, ohne dass hierfür ein Grund vorliegen muss. Dabei ist innerhalb dieser zwei Jahre höchstens dreimal eine Verlängerung möglich. Liegt ein anerkannter Befristungsgrund vor, zum Beispiel Krankheits- oder Schwangerschaftsvertretung, kann der Arbeitsvertrag ebenfalls befristet werden, ohne zeitliche Grenze. Neben diesen allgemeinen Regeln sieht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) weitere Befristungsmöglichkeiten vor, ohne sachlichen Grund für mindestens 12 Jahre, zudem gibt es einen weiteren Sachgrund für Beschäftigte in Drittmittelprojekten. Die Befristungsketten lassen sich dadurch bequem bis zum Renteneintritt ziehen.

Unbefristete Arbeitsverträge!

Die Forderung liegt deshalb klar auf der Hand: Ob bei wissenschaftlichen oder administrativ-technischen Beschäftigten: unbefristete Arbeitsverträge müssen auch an Hochschulen der Normalfall sein. Kleinere Korrekturen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz reichen nicht. Wir brauchen einen grundlegenden Kurswechsel. 

 

 

 

 

 

 

 

 

ver.di Ortsverein Darmstadt
16.06.2023